Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat eine Absprache bei der Besetzung eines der höchsten Richterinnen-Posten des Landes dementiert. Im Untersuchungsausschuss des Landtags sagte er, bei den Koalitionsverhandlungen 2022 mit den Grünen sei es nie um diese Stelle gegangen.
Die Frage nach Parteibuch oder Geschlecht habe ebenfalls in den Gesprächen nie eine Rolle gepielt. Wirklich befasst habe er sich mit dem Thema erst, nachdem es größere Berichterstattung gegeben habe. Ansonsten sei er nur im Rahmen von Kabinettssitzungen am Rande mit dem Thema befasst worden.
Wüst bedauert unbesetzte Stelle
Allerdings hob er hervor, dass die lange Abwesenheit eines Präsidenten oder einer Präsidentin am Oberverwaltungsgericht NRW ihn störe. "Die Vakanz ist ein unglücklicher Zustand", sagte Wüst als Zeuge vor dem Ausschuss. Seit vier Jahren ist die Stelle inzwischen unbesetzt. In der Regierungszeit von CDU und FDP wurde ein Personalvorschlag nicht mehr dem Landeskabinett vorgelegt.
Nachdem Schwarz-Grün übernahm, wurde das Verfahren erneut geöffnet. Die geplante Besetzung mit einer Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium scheiterte an schweren formalen Fehlern bei der Beurteilung der Kandidatin durch die Staatssekretärin im Innenministerium.
Zuvor hatten abgelehnte Bewerber sich unter anderem bis zum Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung gewehrt. Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) geriet deswegen unter starken Druck.
Limbach räumte bereits Fehler ein
Im Untersuchungsausschuss sagte er bereits, das Besetzungsverfahren sei nicht gut gelaufen. "Vielleicht bin ich technokratisch und politisch arglos in das Verfahren gegangen", erklärte Limbach.
Die Opposition hatte den Untersuchungsausschuss einsetzen lassen, nachdem seit Gerichtsurteilen herauskam, dass es mehrfache Vorbesprechungen gegeben hatte - vornehmlich zwischen den Bewerbern und CDU-Politikern.
CDU kommt in Erklärungsnot
Der Justiziar der CDU-Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling, brachte vor allem seine Parteivertreter in den Verfahren in die Bredouille. Er gab als weiterer Zeuge vor dem Ausschuss an, dass er mit einem Bewerber gesprochen habe, der sich auf die Stelle beworben hatte.
Dies sei aber nicht auf Auftrag oder Bitte geschehen, erklärte Heveling zu Beginn der Befragung. Er kenne zudem die zeitweise erfolgreiche Bewerberin aus dem Innenministerium und duze sie. Im Laufe der Befragung geriet der CDU-Bundestagsabgeordnete allerdings immer wieder unter Druck und konnte Widersprüche nicht auflösen.
Heveling erinnert sich plötzlich lückenhaft
Zum Beispiel hatte Heveling im März 2024 dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt, er sei im Austausch mit dem Chef der Staatskanzlei NRW, Nathanel Liminski. “In einem Gespräch mit ihm haben wir über die öffentlich bekannte lang andauernde Vakanz im Amt des OVG-Präsidenten gesprochen und ich habe angeboten, mich mit dem Bewerber, der als Bundesrichter tätig ist, über das OVG NRW auszutauschen.”
In diesen dann folgenden Gesprächen habe er dem Bundesrichter geraten, die Bewerbung zu überdenken. Unter anderem mit der Begründung, die neue Landesregierung bevorzuge die Besetzung der Stelle mit einer Frau. Man habe auch über mögliche Perspektiven außerhalb der Stelle am Oberverwaltungsgericht gesprochen, räumte Heveling ein. Darum habe ihn aber Liminski nicht gebeten.
Heute könne er sich jedoch nicht mehr an genaue Formulierungen erinnern oder wie er die Aussagen der Zeitung autorisiert habe. Was ihn zu den Gesprächen bewogen habe, konnte oder wollte Heveling am Ende nicht mehr erklären.
Die SPD-Abgeordnete Nadja Lüders hielt ihm deshalb vor, wie er auf "das schmale Brett komme, sich in das Verfahren einzumischen". Konkret beantworten wollte er die Frage nicht.
Liminski sieht sich nicht verantwortlich
Dass er im Auftrag des Chefs der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), gehandelt habe dementierte dieser. "Ich habe mit dem Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht gesprochen, um ihn zu beauftragen oder gar zu mandatieren, den Bundesrichter aufzufordern, seine Bewerbung zurückzuziehen", erklärte Liminski. Dies sei nicht der Hintergrund des Gesprächs mit Heveling gewesen.
Liminski war der letzte Zeuge des Befragungstages. Auch er bestand darauf, dass es in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen keine Absprache über die OVG-Stelle gegeben habe. Bei Gesprächen mit den Bewerbern dementierte Liminski ebenfalls, Einfluss genommen zu haben.
"In diesem Fall war allen Seiten klar, dass die Entscheidung nicht von mir getroffen wird, sondern vom zuständigen Fachressort, nach einem geordneten Verfahren", sagte der CDU-Politiker.
Schon Ex-Ministerin setzt Fokus auf CDU-Einfluss
Bereits in der vergangenen Sitzung hatte die ehemalige NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) Fragen aufgeworfen. Sie erklärte, dass sie beide verbleibenden Bewerber gut kenne.
Der "Rheinischen Post" hatte sie in der Frühphase des Ausschusses erklärt, dass sich einer der Bewerber bei ihr gemeldet hatte, um für ihn Informationen zum Verfahren und dessen Stand zu beschaffen.
Beeinflusste CDU eine Zeugin?
Vor der Freigabe der Zitate an die Zeitung fragte sie den CDU-Landtagsabgeordneten Gregor Golland - offenbar, ob es gut wäre, wenn diese Information in der Zeitung stehen würde. Im Untersuchungssausschuss sagte sie, dass Golland dies bejaht habe.
Golland selber sitzt jedoch für die CDU als Mitglied im Untersuchungsausschuss, Müller-Piepenkötter wurde auf Anregung der Union eingeladen. Die Opposition spricht deshalb von einer Beeinflussung der Ex-Ministerin als Zeugin.
Unsere Quellen:
- Sitzungen Untersuchungsausschuss
- Eigene Recherche
- Bericht Rheinische Post
- Bericht Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.03.2024
Wüst als Zeuge zur OVG-Besetzung. WDR 5 Westblick - aktuell. 01.04.2025. 05:25 Min.. Verfügbar bis 01.04.2026. WDR 5.