Alle Jahre wieder bietet der Verfassungsschutzbericht einen Einblick in die Anhäufung gesellschaftlicher Notstände und in menschliche Abgründe. Alle Jahre wieder kommt im Grunde nichts Neues, dafür mehr vom gleichen Schlechten. Dieses Jahr liegen Islamismus und Rechtsextremismus auf einem Zehn-Jahres-Allzeithoch, was die Straftaten angeht.
Ein unrühmlicher und beängstigender Bestwert – also: Schlechtwert. Und alle Jahre wieder bei mir dieses Ohnmachtsgefühl gepaart mit heftigem Kopfschütteln. Wie – bitteschön – kommt es dazu, dass jemand allen Ernstes plant, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung aus den Angeln zu heben?
Zugunsten eines wie auch immer gearteten totalitären Unrechtsstaats? Und dann noch unter Ausnutzung all der Möglichkeiten und Freiheiten, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zur Verfügung stellt?
Die Herausforderung der freiheitlichen Grundordnung
Jedes Jahr dieselbe schnelle und leider zutreffende Antwort – sie machen und versuchen es, weil es geht! Weil eben genau diese freiheitliche Grundordnung und Gesellschaft so viele Freiheiten gewährt.
Ein Teufelskreis – denn von irgendwo kommen dann wieder die Rufe nach mehr Kontrollen, Einschränkungen eben jener kostbaren Freiheiten, um genau diese Freiheiten erfolgreich gegen Angriffe aus irgendeinem „ISMUS“ Lager zu verteidigen.
Ja – in meinem alljährlichen Ohnmachtsgefühl und vielleicht auch unterstützt durch mein Kopfschütteln neige auch ich kurzfristig zu der Lösung: Kind mit dem Bade ausschütten. Also: Freiheiten beschränken, drakonische Maßnahmen, um Freiheit zu bewahren.
Wenn sich mein durch heftiges Kopfschütteln malträtiertes Hirn wieder beruhigt hat – was zum Glück relativ flott geschieht – sehe ich das auch schon wieder anders. Nur – die Ohnmacht bleibt. Denn es wird klar: es gibt keine einfache Lösung. Es gibt noch nicht mal eine echte Lösung. Es gibt nur Versuche und Bemühungen, angesichts der Entwicklungen nicht komplett abgehängt zu werden.
Radikalisierung im Netz
Vorratsdatenspeicherung? Wie NRW Innenminister Reul aus nachvollziehbaren Gründen nicht müde wird zu fordern, um den zunehmend digital ihr Unwesen treibenden Extremisten auf die Spur zu kommen? Das ist rechtlich heikel und politisch ein ziemlich dickes Brett. Den Plattform-Betreibern Grenzen setzen, sie zu Kontrollen zwingen? Auch eher ein frommer Wunsch – wie zuletzt ja auch Meta-Chef Zuckerberg mit seiner Abkehr von inhaltlichen Kontrollen auf seinen Social Media Kanälen bewiesen hat.
Der Verfassungsschutz will jetzt zumindest vermehrt auch dort tätig werden, wo zunehmend um neue Anhänger geworben wird und junge Menschen im Sinne der schlechten Sache mobilisiert werden. An Schulen, im Netz aber auch im "echten" Leben wird aufgeklärt, sensibilisiert, werden Ausstiegsmöglichkeiten angeboten.
NRW-Verfassungsschutz registriert wachsenden Islamismus.. WDR aktuell - Der Tag. 09.04.2025. 10:11 Min.. Verfügbar bis 09.04.2026. WDR 3.
Angenommen werden sie in überschaubarem Rahmen. Bei Islamismus-Programmen liegt die Erfolgsquote bei mageren 23 Prozent. Aber immerhin. Und ich bin geneigt, dieses 'immerhin' und auch das stete Mühen und Ringen um Möglichkeiten als kleinen Erfolg zu werten.
Erfolg dafür, dass die Freiheit sich nicht aufgibt, um sich zu verteidigen. Erfolg auch dafür, dass vor allem die heiß umworbenen jungen Menschen noch zurück zu gewinnen sind. Erfolg auch dafür, dass die Sicherheitsbehörden unter Achtung von geltendem Recht, nichts unversucht lassen.
Verfassungsschutzbericht: Was die Behörde leisten kann. WDR 5 Morgenecho - Interview. 19.06.2024. 06:08 Min.. Verfügbar bis 19.06.2025. WDR 5.
Übrigens – Sie und ich sollten das auch nicht. Im Kleinen, im Gespräch, beim Austausch von Argumenten mit Andersdenkenden. Denn es geht ja um UNSERE Freiheit. Die sollten wir zumindest auch versuchen zu verteidigen. Neben Links- und Rechtsextremismus und Islamismus gibt es noch einen manchmal auch sehr gefährlichen ISMUS: den Eskapismus. Meist hervorgerufen durch Ohnmachtsgefühle und heftiges Kopfschütteln – damit höre ich dann aber jetzt auf.