An den nordrhein-westfälischen Schulen werden viele Kinder unterrichtet, die erst kürzlich nach Deutschland gekommen sind. Das Schulministerium spricht von inzwischen rund 100.000 Kindern und Jugendlichen, die derzeit eine so genannte Erstförderung bekommen. Ungefähr 40.000 kämen aus der Ukraine, sagt Schulministerin Dorothee Feller (CDU).
Viele der anderen Schülerinnen und Schüler kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und aus Südosteuropa. Sie alle besuchen zwar die Schule, werden aber nicht so behandelt wie reguläre Schüler. Sie sollen vor allem Deutsch lernen, Noten und angestrebter Abschluss spielen erstmal keine große Rolle.
Schüler kommen teils in Extraklassen
Wie die Deutschförderung konkret aussieht, unterscheidet sich je nach Kommune und Schule: an vielen Grundschulen nehmen die Kinder am regulären Unterricht teil, auch wenn sie vielleicht nicht alles verstehen. Daneben bekommen sie dann noch einige Stunden Deutschunterricht.
An den weiterführenden Schulen gibt es diese Möglichkeit nicht immer, oft fehlen dort die Ressourcen. Dann werden komplette Extraklassen eingerichtet, auch "Willkommensklassen" oder "Integrationsklassen" genannt. Dort können die neu nach Deutschland gekommenen Schüler schnell und sehr konzentriert Deutsch lernen. Allerdings hat dieses System auch einen großen Nachteil: Die Jugendlichen bekommen außerhalb der Willkommensklasse weniger Kontakt zu Gleichaltrigen. Das sei „ein Balanceakt“, heißt es aus der Gewerkschaft GEW. Deren Landesvorsitzende Ayla Celik weist darauf hin, dass die Klassen vor allem eine angemessene Ausstattung benötigten.
Lehrer haben im Idealfall Spezialausbildung
An manchen Schulen existieren auch Mischformen, also teil-integrierter Unterricht. Dann haben die jungen Geflüchteten beispielsweise den Unterricht in Kunst, Musik oder Sport gemeinsam mit Schülern aus den regulären Klassen. Willkommensklassen gibt es vor allem in größeren Städten, in denen auch mehr Flüchtlingsfamilien leben. Bis zu zwei Jahre können die Jugendlichen in diesen Klassen bleiben.
Unterrichtet werden sie im Idealfall von Lehrern, die eine spezielle Ausbildung dafür haben. Doch davon gibt es viel zu wenige - auch hier macht sich der Lehrermangel bemerkbar. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) fordert vom Land deshalb mehr und passendere Fortbildungen für die Lehrer in Willkommensklassen. Außerdem müsse es dringend kleinere Lerngruppen geben, fordert Andrea Heil vom VBE.
Zum Teil Jahre auf der Flucht
Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Dilek Engin erwartet mehr Unterstützung vom Land für die Spezialklassen. Engin, die als Lehrerin selbst in solchen Klassen unterrichtet hat, weist darauf hin, dass von den Lehrerinnen und Lehrern dort „ein Einsatz weit über das normale Vermitteln von Wissen hinaus geht“. Eine weitere Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer ist der unterschiedliche Wissensstand in den Willkommensklassen.
Einige Schüler kommen aus Ländern mit einem Schulsystem, das durchaus mit unserem vergleichbar ist, das gilt zum Beispiel für die Ukraine. Andere haben zum Teil Jahre auf der Flucht verbracht, immer wieder den Wohnort gewechselt oder in Flüchtlingslagern gelebt. Sie haben deshalb oft nur eine sehr rudimentäre Schulbildung. Der unterschiedliche Wissensstand „ist für eine Lehrkraft, die ein sehr breites Spektrum in der Klasse hat, nochmal eine besondere Herausforderung“, räumt die Schulministerin ein. Die Lehrer müssten dann schauen, wie man „durch individuelle Aufgaben auch individuell fördert.“
Herausforderung Analphabetismus
Besonders groß ist die Herausforderung bei Kindern und Jugendlichen, die als Analphabeten nach Deutschland kommen. Ihre Zahl ist laut Schulministerium zuletzt gestiegen – wie viele es genau sind, darüber gebe es derzeit keine Statistik, heißt es. Sind diese Kinder noch im Grundschulalter, lässt sich der Rückstand leichter beheben. Für die weiterführenden Schulen sei der Analphabetismus aber ein großes Problem, räumt Feller ein, „weil die Lehrkräfte da nicht auf Spracherwerb geschult sind.“
Die Frage, in welche Klassenstufe die Kinder eingeschult werden, ist ebenfalls nicht immer leicht zu beantworten: „Findet die Erstförderung in einer Regelklasse statt, dann schaut man auch, ob das Alter passt“, sagt Schulministerin Feller. Bei einer reinen Sprach-Unterrichtsklasse sei das anders, da würden oft auch Altersklassen gemischt. Grundsätzlich gelte aber, dass Kinder spätestens mit 12 Jahren die Grundschule verlassen und an eine weiterführende Schule wechseln sollen, unabhängig vom sprachlichen Niveau, das habe das Ministerium kürzlich nochmal klargestellt.