Auf ihren Internetseiten werben Zeitarbeitsfirmen in ganz Nordrhein-Westfalen offensiv um Pflegekräfte. Sie bieten bis zu 7.000 Euro Monatsgehalt plus Diensthandy und Firmenwagen, dazu eine 35-Stundenwoche ohne Nacht- und Wochenendarbeit. Es sind Bedingungen, von denen festangestellte Alten- und Krankenpfleger nur träumen können.
Doppelte Kosten
Viele können da offenbar nicht widerstehen. Während die Zeitarbeit über alle Branchen hinweg abgenommen hat, boomt sie in der Pflege. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die dem WDR-Magazin Westpol exklusiv vorliegen, zeigen: Seit 2013 hat sich die Zahl der Altenpflege-Fachkräfte in Zeitarbeitsfirmen mehr als verfünffacht (Plus 428 Prozent), in der Krankenpflege im gleichen Zeitraum mehr als vervierfacht (Plus 315 Prozent).
Das merkt auch das evangelische Krankenhaus in Mülheim. Zeitweise war auf der Intensivstation rund jede zweite Fachkraft eine Zeitarbeiterin. "Das Stammpersonal mit geringerem Gehalt und ungünstigeren Arbeitszeiten kam sich vor wie Mitarbeiter zweiter Klasse", sagt Pflegedirektor Roland Ebbing. Für die Klinik insgesamt sei es ruinös. Während eine angestellte Pflegerin 35 Euro pro Stunde koste, schlage eine Zeitarbeiterin mit 80 Euro zu Buche. "Das Geld fehlt für Investitionen und treibt viele Kliniken in die roten Zahlen", sagt er.
Schlechtere Pflege
Ähnlich ist die Situation in Altenheimen. Wegen des Fachkräftemangels ist man bei Krankheit oder Urlaub der Stammbelegschaft einerseits auf den Einsatz von Leihkräften angewiesen. Auf der anderen Seite schmerzen nicht nur die Kosten. Auch die Qualität der Pflege leidet, sagt etwa Heimleiterin Iris Danes vom evangelischen Altenheim in Bonn-Bad-Godesberg: "Senioren brauchen eine feste Bindung zu ihrem Pfleger oder ihrer Pflegerin. Die ist nicht mehr gewährleistet, wenn monatlich neue Leihkräfte eingesetzt werden."
Verbieten geht nicht
Nun schlagen sowohl die NRW-Krankenhausgesellschaft als auch die Diakonie als Dachverband vieler Senioreneinrichtungen Alarm. Sie fordern von der Politik, die Zeitarbeit in der Pflege stärker zu reglementieren. Möglich sei, deren Gehälter zu deckeln und dafür zu sorgen, dass auch Leihkräfte zu Nacht- und Wochenendschichten verpflichtet werden können.
Der Bundesverband der Leiharbeitsfirmen lehnt das ab. Er sieht es als Versuch, die Dienstleistung der Branche durch die Hintertür zu verbieten. Unterstützung bekommt der Verband von Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Einschränkungen oder gar ein Verbot der Leiharbeit in der Pflege hält er für rechtlich kaum machbar. Zudem sei es Aufgabe der Einrichtungen, selbst so attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, dass Leiharbeit für die Mitarbeiter keine Alternative ist.
Mehr Pflegekräfte sind nötig
Das evangelische Krankenhaus in Mülheim hat inzwischen verstanden, dass die Politik beim Problem Zeitarbeit keine Hilfe ist. Finanziell kann die Klinik mit den Gehältern der Leiharbeitsfirmen zwar nicht mithalten, bei der Flexibilität der Arbeitszeit aber kommt man den Wünschen der Belegschaft nun weit entgegen. Eine ganze Reihe neuer Mitarbeiterinnen konnten so bereits aus anderen Kliniken abgeworben werden. Das Problem: Die fehlen nun in den Nachbarhäusern. Am Ende werden wohl nur mehr Pflegekräfte insgesamt helfen.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 14.05.23 in Westpol, 19.30 Uhr im WDR Fernsehen.