Warum Migranten die AfD wählen Aktuelle Stunde 05.01.2025 25:17 Min. UT Verfügbar bis 05.01.2027 WDR Von Henry Bischoff

Warum Migranten die AfD wählen könnten

Stand: 05.01.2025, 19:11 Uhr

Die AfD macht Stimmung gegen Zugewanderte, umwirbt aber gleichzeitig Migranten. Warum Menschen mit Migrationsgeschichte die AfD wählen könnten.

Noch wenige Wochen bis zur Bundestagswahl. Der Wahlkampf und damit auch das Werben um potenzielle Wähler geht in die heiße Phase. Immerhin 12 Prozent der Wahlberechtigten haben einen Migrationshintergrund. Der AfD, einer Partei die immer wieder als ausländerfeindlich auffällt, gelingt es dabei trotzdem, in den migrantischen Communitys zu punkten. Experten wie den Parteienforscher Stefan Marschall von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wundert das nicht.

Während die Menschen mit Migrationshintergrund früher eher links gewählt hätten, habe sich das Wahlverhalten mittlerweile geändert. "Sie wählen quer durchs Spektrum."

Anti-Wokeness bis Patriarchat

Der Politologe Stefan Marschall | Bildquelle: WDR

Aber was spricht die Menschen in den verschiedenen migrantischen Communitys an? "Es gibt Themenfelder, in denen die AfD Positionen repräsentiert, die für bestimmte Migrantengruppen attraktiv sein können." So könnten Rechtsaußen-Parteien in der Familienpolitik oder bei bestimmten Wertvorstellungen punkten. Themen wie Genderkritik, Homophobie, patriarchale Strukturen - auch darin sieht Politologe Marschall Gründe für den AfD-Zuspruch unter Menschen mit Migrationsgeschichte.

Als Migrant gegen mehr Zuwanderung

Ein anderer Aspekt sei der, dass sich viele Menschen mit Migrationsgeschichte gar nicht mehr als Migranten fühlten. Als angekommen und integriert, könne man dann durchaus weitere Zuwanderung ablehnen.

"Man will sich abgrenzen von der Neuzuwanderung" Politologe Stefan Marschall

Auch seien Menschen mit Migrationshintergrund häufig skeptischer gegenüber neuer Integration, sagt der Politikwissenschaftler. "Menschen mit Migrationshintergrund möchten nicht aufgrund ihres Migrationshintergrundes benachteiligt werden. Und sie können fürchten, dass sie auch darunter leiden, wenn noch weiter Migration stattfindet." Ein Grund dafür, warum die Partei gerade bei Deutschtürken auf Stimmenfang geht und sie in Social-Media-Kampagnen direkt anspricht.

Außerdem: Menschen, die sich nicht gehört oder gesellschaftlich benachteiligt fühlten, suchten nach Parteien, die Protest ausdrücken. "Und das können auch Rechtsaußen-Parteien sein." Oft wüssten Wähler gar nicht so genau, für welche Programme Parteien stehen.

"Rassismus auch in migrantischen Communitys"

Der Pädagoge und Autor Burak Yilmaz | Bildquelle: WDR

"Es gibt einerseits in migrantischen Communitys die Angst, dass die AfD an die Macht kommt und man mehr Diskriminierung erlebt", sagt der Pädagoge und Autor Burak Yilmaz aus Duisburg. Es gebe aber auch eine Form von Sympathie.

Zu der ersten Gruppe zählen für Yilmaz Menschen, die ihre Zukunft in Deutschland sehen und sich zivilgesellschaftlich beteiligen. Dann gebe es auch noch eine andere Gruppe, die empfänglich sei für die Inhalte der AfD, für Verschwörungsmythen oder Hass gegen Ärmere.

Es gebe häufig die Einstellung, dass Rassismus in migrantischen Communitys keine Rolle spiele oder man höchstens selbst davon betroffen sei. "Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch türkische Nationalisten haben, die ganz offen mit der AfD symphatisieren. Rassismus ist in allen gesellschaftlichen Milieus zu finden." Die AfD versuche an nationalistische Gefühle zu appellieren.

"Wenn Menschen frustriert sind, sind sie wütend"

Für den Pädagogen hat das Symphatisieren mit einer extremen Partei aber auch viel mit Armut zu tun, mit höheren Preisen und sinkenden Löhne. "Wenn Menschen arm sind, sind sie frustriert. Wenn Menschen frustriert sind, sind sie wütend - und dann brauchen sie den starken Mann, der auf den Tisch haut." Viele im Stadtteil fühlten sich von der Politik einfach hängen gelassen. "Dabei macht die AfD eigentlich Politik gegen diese Stadtteile."

Unsere Quellen:

  • Interview mit Parteienforscher Stefan Marschall
  • Interview mit dem Pädagogen Burak Yilmaz