Draußen wird es Herbst, aber Matthias Lindners Erdbeeren aus Witten schmecken so wie die, die Ende Mai am Stand verkauft werden. Lindner und seine Kollegen vom Start-up vGreens züchten das ganze Jahr lang Erdbeeren drinnen.
Sie forschen daran, wie sie möglichst kostengünstig perfekte Bedingungen für Erdbeeren schaffen können. Ihr Ziel: komplette Indoor-Erdbeer-Farmen verkaufen. Darin können die Erdbeeren auf mehreren Etagen wachsen. Belüftung, Licht und Temperatur können individuell eingestellt werden.
Salat in einem Monat vom Samen zur Pflanze
Ein paar Meter weiter auf der Dortmunder Messe stehen Salatpflanzen und Kräuter in einem silbernen Hightech-Regal in einer Nährstofflösung. "Einen Monat brauchen die Salatköpfe hier," sagt Kay Plat: "Vom Samen bis zur fertigen Pflanze." Je nach Sorte ist das etwa doppelt so schnell wie im Freiland. Plat verkauft diese Hightech-Pflanzenregale zum Beispiel an Universitäten, die damit forschen.
Vertical Farming soll die Landwirtschaft umweltfreundlicher machen. Denn in der konventionellen Landwirtschaft tue sich zu wenig, sagt Lindner: "Die besprühen da alles und das geht ins Grundwasser!" Hierbei meint er Pestizide, die vor allem in anderen Ländern ohne Rücksicht auf die Umwelt benutzt würden. Zudem verspricht sein Unternehmen 95 Prozent weniger Wasserverbrauch als beim konventionellen Anbau.
VGreens bisher noch ohne Verkauf
VGreens hat bisher noch keine Anlage verkauft. Momentan sei er in Gesprächen mit potenziellen Kunden, so Lindner. Plat und seine Kollegen konnten bisher fünf ihrer "Laborkästen" verkaufen.
Wie groß der Markt für Vertical Farming ist, weiß niemand genau. Christine Zimmermann-Loessl von der Association for Vertical Farming schätzt den weltweiten Umsatz auf 20 bis 30 Milliarden Euro im Jahr. Zum Vergleich: Die gesamte Landwirtschaft hat laut den Vereinten Nationen gemeinsam mit Forstwirtschaft und Fischerei im Jahr 2020 etwa 3,6 Billionen Euro umgesetzt.
Deutschland nicht der richtige Standort?
Eine Wachstumsbremse des Vertical Farmings ist der hohe Stromverbrauch, zum Beispiel wegen des künstlichen Lichts. Zudem sei Vertical Farming vor allem in Ländern lukrativ, in denen das Klima schlecht für Landwirtschaft geeignet sei, sagt Heike Mempel von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Sie forscht unter anderem am Vertical Farming.
In Deutschland sei zum Beispiel der Anbau von Getreide oder Kartoffeln im Freiland üblich – zu geringeren Kosten. Deswegen werde Vertical Farming die klassische Landwirtschaft nicht ersetzen.
Vertical Farming als Nischentechnologie
Dennoch könne es sich in einigen Nischen durchsetzen. "Kontinuierliche und standardisierte Qualität, gesicherte Freiheit von Pestiziden, sowie eine zeitlich planbare Produktion bieten bei hochwertigen Produkten und für die Industrie einen Vorteil", sagt Mempel. Neben Erdbeeren könnten zum Beispiel Kräuter wie Majoran oder Rosmarin gut im Vertical Farming angebaut werden. Außerdem kann die Branche zum Beispiel durch immer sparsamer werdende Lampen Energie sparen.
Über dieses Thema berichten wir am 26.09.2023 auch in der WDR Lokalzeit aus Dortmund um 19:30 Uhr.