Diskussion um Tempo 30 Aktuelle Stunde 27.01.2025 16:40 Min. UT Verfügbar bis 27.01.2027 WDR Von Daniela Rüthers-Becker

Tempo 30 in Städten: Warum die Gewerkschaft der Polizei das fordert

Stand: 27.01.2025, 17:16 Uhr

Standardmäßig Tempo 30 innerorts fordert die Gewerkschaft der Polizei. Das sind die Gründe.

Ein Fußgänger wird vom Auto erfasst und stirbt. Das passiert in Deutschland immer noch viel zu oft. Verkehrsexperten suchen nach Lösungen, die Straßen sicherer zu machen. Doch seit Jahren geht die Zahl der Unfälle mit Fußgängern nicht runter.

Manche Experten fordern deshalb jetzt, dass Verkehr grundlegend anders gedacht werden sollte - neu gedacht werden sollte. Konkret geht um die Forderung: Innerorts soll Tempo 30 gelten - mit einigen Ausnahmen.

Sinkt die Unfallgefahr durch Tempo 30?

Michael Mertens ist der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Gewerkschaft der Polizei steht hinter dieser Forderung. Mertens sagt: Bei Tempo 30 sinke die Gefahr schwerer Verletzungen bei Unfällen deutlich.

Tempo 30 als die Regel in deutschen Städten - das finden nicht alle richtig. Auch die Gegner dieser Forderung haben Argumente. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur Diskussion - und wieso die Stadt Hilden im Kreis Mettmann schon seit Jahren für Tempo 30 kämpft.

Unfälle mit Fußgängern - wie groß ist das Problem?

Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die Zahl der Fußgänger, die in Deutschland im Straßenverkehr bei einem Unfall gestorben sind, ist 2023 deutlich gestiegen - auf 437 Menschen. Das sind 69 Tote mehr als im Vorjahr. Der deutliche Rückgang während der Corona-Jahre ist damit beendet. Auch bei den schwerverletzten Fußgängern gibt es einen leichten Anstieg auf 5.368.

Gesamte Grafik anzeigen

Die meisten tödlichen Verkehrsunfälle ereignen sich innerorts - dort starben im vergangenen Jahr 335 Menschen. Das sind 61 mehr innerorts verstorbene Fußgänger als im Vorjahr.

Gesamte Grafik anzeigen

In welchem Alter haben Fußgänger besonders oft Unfälle?

Unter-15-Jährige sowie Menschen über 75 Jahre waren laut Statistischem Bundesamt am häufigsten in Unfälle verwickelt. Das Problem ist: Unsere Gesellschaft altert - es gibt immer mehr alte Menschen. Deshalb wollen Fachleute, dass Städte für Fußgänger möglichst schnell sicherer werden.

Soll laut GdP wirklich überall Tempo 30 gelten?

Nein. Da, wo Fußwege ausreichend abgesichert seien, könne auch in Zukunft mit 50 Stundenkilometern oder schneller gefahren werden, sagt Michael Mertens von der GdP. Die Forderung der GdP bedeutet aber wohl eine Umkehr. Bisher ist es so, dass Städte begründen müssen, warum sie an einer bestimmte Stelle Tempo 30 für angebracht halten. Wenn aber erst mal grundsätzlich Tempo 30 gelten würde, müssten Städte erklären, warum ein Abschnitt ausreichend sicher ist, dass Autos dort schneller fahren können.

Wer unterstützt Tempo 30 innerorts"?

Mehr als 1.000 Städte und Landkreise mit insgesamt mehr als 40 Millionen Bewohnern fordern mehr Tempo 30, wo es für die Sicherheit, für weniger Lärm und Abgase sinnvoll ist. Der Fußgängerlobby-Verein FUSS hätte am liebsten überall Tempo 30. Er sieht insbesondere Hauptstraßen als Gefahr. Dort passierten viele Unfälle, etwa wenn Fußgänger eine Straße überqueren, auf der Tempo-50 gilt. Roland Stimpel, Vorstand im Fußgänger-Lobby-Verein, sagt: "Bei Tempo 50 stirbt ein vom Fahrzeug angefahrener Mensch mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit als bei 30." Der Reaktions- und Bremsweg sei bei Tempo 30 nur halb so lang wie bei 50. Viele Unfälle passierten also gar nicht erst.

Tempo 30 in Städten - gibt es dann Stau?

Der Verkehrsfluss werde gleichmäßiger, sagt der Fußgängerlobby-Verein FUSS. Der Zeitverlust sei in Städten und Dörfern gering – mit 50 komme man oft nur eher an der nächsten roten Ampel an.

Der ADAC Nordrhein hat es für eine Anhörung des Verkehrsausschusses NRW im Jahr 2021 genauer berechnet. Eine Fahrt, die bei Tempo 50 etwa 8 Minuten dauert, dauere demnach bei Tempo 30 etwa 10 Minuten - also zwei Minuten länger.

Was sagen Kritiker von "Tempo 30 innerorts"?

Krezung: Gefahrenstelle für Fußgänger | Bildquelle: WDR/Schmitz

Der ADAC ist gegen den Vorschlag. Er ist stattdessen zum Beispiel dafür, insbesondere Kreuzungen sicherer zu machen. Dort passierten die meisten Unfälle - etwa beim Abbiegen. Hauptverkehrsstraßen mit Tempo 50 seien ein bewährtes Instrument, Verkehr zu leiten. Auch Abgase seien kein Argument für Tempo 30. In einer Stellungnahme für den NRW-Landtag aus dem Jahr 2021 verweist der ADAC auch auf Messungen. Die zeigten, bei Tempo 30 würden Abgase und Verbrauch steigen. Am sparsamsten fahre man mit konstanter Geschwindigkeit im hohen Gang.

Eine Simulation des Umweltbundesamts von 2022 hingegen zeigt: Ein Tempolimit von 30 km/h würde sowohl die Lärm- als auch die Schadstoffbelastung tendenziell senken.

Der Automobilclub warnt, dass durch Tempo 30 auf Hauptstraßen mehr Verkehr in Wohngebiete ausweichen könnte. Tempo-30-Abschnitte seien nur punktuell sinnvoll, etwa vor Schulen. Das bisherige System der Verkehrsberuhigung habe sich bewährt und werde von den Verkehrsteilnehmern akzeptiert.

Der Fußgängerlobby-Verein FUSS stellt in Frage, ob Autofahrer wirklich von Hauptstraßen auf Straßen in Wohngebieten ausweichen würden. Auch wenn auf beiden Straßen Tempo 30 gelte, gehe es auf der Hauptstraße schneller voran. In Wohngebieten gelte meist rechts vor links, Straßen seien enger, sodass ein Müllauto schnell mal den Verkehr lahmlegen könne.

Was gilt bisher?

Bisher dürfen die Städte und Landkreise aber auf Hauptverkehrsstraßen nur für kurze Strecken Tempo 30 festlegen. Tempo 30 ist die Ausnahme nicht die Regel - trotzdem gilt in weiten Teilen von Städten schon Tempo 30. Für eine Stadt wie Köln etwa schätzt Roman Suthold ADAC Nordrhein e.V. sind das schon jetzt 80 Prozent.

Wie geht es mit dem Tempo-30-Vorschlag jetzt weiter?

Vom 29. Januar an wollen Fachleute beim Verkehrsgerichtstag in Goslar über das Thema sprechen. Der Kongress dauert drei Tage und zählt jedes Jahr zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland und endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber.

Wieso kämpft die Stadt Hilden im schon seit Jahren für Tempo 30?

Peter Stuhlträger von der Stadt Hilden | Bildquelle: Stadt Hilden

Die Stadt Hilden kämpft für eine flächendeckende Tempo-30-Regelung innerorts, um Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen. Der technischer Beigeordneter Peter Stuhlträger erläutert: Das Ziel sei es, Radfahrer sicher auf die Straße zu bringen und damit den Fußgängern die Bürgersteige zurückzugeben.

Die Initiative ist politisch nicht unumstritten: Während der Stadtentwicklungsausschuss zustimmte, lehnte der Rat den Vorschlag mit knapper Mehrheit ab. Ein modifizierter Antrag wird am 26. Februar erneut im Rat beraten.

Unsere Quellen:

Transparenzhinweis: In einer vorherigen Version des Beitrags haben wir fälschlicher Weise von "Polizei-Gewerkschaft" gesprochen. Das ist falsch. Die Forderung kommt von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wir haben den Fehler korrigiert.