Es ist der 26. Dezember 2004. Ein sonniger Tag am Indischen Ozean. Dann bebt die Erde mit einer Stärke von 9,1 - das drittstärkste jemals gemessene Beben. Das Zentrum liegt vor der Westküste von Nord-Sumatra. Frühwarnsysteme gibt es nicht, der Begriff "Tsunami" ist den meisten unbekannt.
In Thailand beobachtet zu diesem Zeitpunkt Gerti Gabelt aus Bad Honnef im Rhein-Sieg-Kreis ein ungewöhnliches Bild am Strand von Phuket. Das Wasser hat sich meterweit zurückgezogen. Wie viele andere Touristen macht sie ein Foto von diesem seltsamen Anblick. Als sie kurz darauf ihr Handtuch auslegt, kommt die Katastrophe ohne Vorwarnung: "Mein Gedanke war, das Wasser war noch nie hier bis zu den Liegen und dann war ich schon ganz tief drin."
Als die ersten Leichen angespült wurden
Zur gleichen Zeit ist die Schauspielerin Natalia Wörner auf der thailändischen Küstenstraße von Khao Lak unterwegs. Keine von beiden ahnt, was auf sie zurollt. "Das ist so merkwürdig, weil mir ist das alles noch so präsent", erinnert sich Wörner heute. "Der Moment des Realisierens und die Bilder, die wir alle kennen, sind deckungsgleich. Und es war auch damals so, dass aus der Welle die ersten Verletzten und die ersten Leichen angespült kamen."
In Phuket türmen sich die Wellen bis zu sechs Meter auf. Gerti Gabelt wird durch das Wasser geschleudert, ihre Knochen brechen. Doch sie bleibt bei Bewusstsein. "Ich bin nicht ins Meer gespült worden, sondern landeinwärts, denn sonst hätte ich ja keine Palme gehabt", erinnert sie sich. "Und ich hatte sicher Angst, aber keine Panik. Ich hatte Wut. Ich hab immer gedacht: Warum? Ich will hier nicht enden. Ich will leben." Sie schafft es wie einige andere, auf eine Palme zu klettern.
Während Wörner es auf einen Hügel schafft und dort mit anderen Überlebenden ein provisorisches Lager gründet, werden in den umliegenden Ländern die Ausmaße der Katastrophe immer deutlicher. Von Sri Lanka über Indien bis Tansania rollen die Wassermassen. Die meisten Opfer gibt es in der indonesischen Provinz Aceh auf Sumatra.
"Mit dem Auto, das noch funktionsfähig war, versuchten wir, fünf Schwerverletzte ins Krankenhaus zu bringen", berichtet Wörner von den chaotischen Stunden nach dem Tsunami. Das Krankenhaus sei jedoch bereits überfüllt gewesen. "Die haben uns gleich abgewunken."
Mit dem Lazarettflugzeug der Bundeswehr zurück nach Deuschland
Gerti Gabelt verlässt die Region später mit einem Lazarettflugzeug der Bundeswehr. "Es ist vieles anders geworden. Ich hab immer versucht, gelassener mit dem Leben und mit allem was kommt, umzugehen", sagt sie heute. Sie fährt nicht mehr in die Region, ist aber in Gedanken an diesem Tag immer bei den Menschen, die es nicht aus dem Wasser geschafft haben.
Wörner kehrt unversehrt nach Deutschland zurück: "Ich selbst hatte keine einzige Schramme. Und man ist mitten unter Menschen, die schwer verletzt oder gestorben sind. Das ist ein komischer Moment, zurückzukommen", sagt sie.
Von Deutschland aus weiterhelfen
Für Wörner ist schnell klar: Sie will auch von Deutschland aus weiterhelfen. Sie gründet einen Verein, sammelt Spenden, beginnt eine Zusammenarbeit mit der Kindernothilfe, die ihren Sitz in Duisburg, NRW hat. 2008 reist Natalia Wörner zusammen mit der Hilfsorganisation zum ersten Mal wieder nach Thailand.
Auch die Projekte und die Patenkinder der Nothilfe hatte der Tsunami damals mit voller Wucht getroffen, erzählt Angelika Böhling von der Kindernothilfe. Ein Wendepunkt für die jahrzehntelange Arbeit der Organisation aus Duisburg.
Kindernothilfe setzt auf langfristige Hilfe
Die Kindernothilfe verstehe Katastrophenhilfe immer im Dreiklang: Soforthilfe, mittelfristiger Wiederaufbau, langfristige Hilfe. "Das Seebeben ist die Initialzündung dafür gewesen, dass wir gesagt haben, wir müssen stärker in die Katastrophenhilfe hineingehen, aber immer auch den langen Atem haben, um mittelfristig und langfristig zu helfen", sagt Angelika Böhling.
Auch die Aktion "Deutschland Hilft", ein Bündnis renommierter deutscher Hilfsorganisationen mit Sitz in Bonn, sammelt weiterhin Geld für Tsunamis. Die Hilfsprojekte sind nachhaltig angelegt, damit Familien eine bessere Zukunft haben und sich durch Maßnahmen der Katastrophenvorsorge vor kommenden Katastrophen schützen können.
Geld für ein Tsunami-Frühwarnsystem
Die Katastrophe von 2004 war auch deshalb so verheerend, weil es damals im Indischen Ozean kein Frühwarnsystem gab. Als Reaktion wurde 2008 dort ein Tsunami-Frühwarnsystem in Betrieb genommen: das German Indonesian Tsunami Early Warning System (GITEWS), das unter Führung des Geoforschungszentrums Potsdam entwickelt wurde.
Und auch Natalia Wörner engagiert sich immer weiter. Sie wird im Januar mit der Kindernothilfe wieder in die Krisenregion von damals reisen. "Das ist für mich die beste Art, das zu verarbeiten, indem man selbst aktiv wird und etwas tut und etwas macht, an einer Stelle, wo einfach so viel Leid und Verlust stattfand."
Die Bilder von damals - die sind zwar weiter in ihrem Kopf - aber eben auch die Bilder von den vielen Kindern, denen sie seit dieser Katastrophe helfen konnte.
Unsere Quellen:
- WDR-Bericht "Natalia Wörner, die Kindernothilfe - und der Tsunami" vom 26.12.2024
- WDR-Bericht "So war's - Überlebende erzählt - 20 Jahre nach dem Tsunami" vom 22.12.2024
- Aktion Deutschland hilft: Tsunami-Frühwarnsystem
- Nachrichtenagentur dpa
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 26.12.2024 unter anderem im Fernsehen, in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.