Die 33-jährige Márcia lebt mit zwei Kindern im Kirchenasyl in der Süsterkirchengemeinde in Bielefeld. Im August kam sie nach Deutschland. Sie konnte die Übergriffe in Angola nicht mehr ertragen: "Wir wurden mehrmals zuhause angegriffen. Meine Kinder wurden misshandelt, sie hatten auch schwere Verletzungen."
"Ich habe ständig Angst, dass mir und meiner Familie was passiert"
Ihr Mann, ein Oppositioneller, wird gesucht. Sicherheitskräfte übten Gewalt aus um herauszubekommen, wo er steckt. Er kämpft für bessere Bedingungen im Land. "Wir wollen Gesundheit, Schule", so Márcia. "In Angola gibt es kein freies Leben. Ich habe ständig Angst, dass uns was passieren könnte."
Jetzt soll die Familie abgeschoben werden – nach Portugal, wohin sie zuerst eingereist waren. Doch dorthin will sie nicht. Die portugiesische Regierung sei stark verbunden mit der Ex-Kolonie Angola. Auch Pfarrer Bertold Becker von der Bielefelder Süsterkirche, die die Familie untergebracht hat, sieht das so: "Vermutlich wäre das Asylverfahren in Bezug auf Angola in Portugal nicht ganz fair, weil die Regierungen eng verflochten sind."
Die Gemeinde streitet dafür, dass sie hier ein Asylverfahren bekommt. Sie hat bereits mehreren Menschen Kirchenasyl gewährt: Einem von der Mafia verfolgten, traumatisierten Georgier und auch einem syrischen Flüchtling aus der Türkei, der an der bulgarischen Grenze übel verprügelt wurde, so Becker.
Kirchenasyl soll einzelnen Flüchtlingen zu ihrem Recht verhelfen
Oft sind es Menschen aus Afghanistan, Iran, Irak, Somalia, Russland oder der Türkei, denen Rückführungen nach Bulgarien oder Kroatien drohen, wo sie mitunter Gewalt erlebt haben, so Ingo Stucke vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche. Es gehe darum, "dass der Einzelne zu seinem Recht" komme.
Die Menschen blieben dann ein paar Wochen oder Monate im Kirchenasyl. "Wenn insgesamt sechs Monate lang keine Abschiebung in ein anderes EU-Land erfolgt ist, dann ist nach den EU-Verträgen, nach dem Dublin-System, die Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren zuständig."
BAMF: "Ganz überwiegend keine Härtefälle"
Vor dieser Frist lässt sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kaum auf ein Asylverfahren ein. Es seien "ganz überwiegend keine Härtefälle", so das Amt. Also behalten die Kirchen die Flüchtlinge, bis sie hier in ein Asylverfahren können. Allerdings gehe man offen damit um, so Ingo Stucke, auch Sozialpfarrer in Bielefeld. Man informiere über jedes Kirchenasyl.
Vereinbarung zwischen Staat und Kirche
Die Kirchen berufen sich auf eine Vereinbarung zwischen Staat und Kirche. Auch für das Flüchtlingsministerium in NRW ist "das Kirchenasyl ein wichtiges Instrument bei besonderen humanitären Härten". Beide Seiten müssten es verantwortungsvoll anwenden.
Darauf hofft auch Pfarrer Becker in Bielefeld angesichts der derzeitigen Stimmung gegen Flüchtlinge: "Das macht das Kirchenasyl um so notwendiger."
Die Angolanerin Marcia jedenfalls hofft, dass sich durch das Kirchenasyl ihre Lage bald zum Guten wendet: "Ich will ein normales Leben haben. Möchte Sicherheit, bessere Bedingungen für meine Kinder und Gesundheit."
Unsere Quellen:
- Süsterkirche, evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Bielefeld
- Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche, NRW
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
- Ministerium f. Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht u. Integration NRW