Ich habe das Glück, dem WDR Rundfunkchor seit vielen Jahren als Gastdirigent verbunden zu sein. Ich kenne das Ensemble daher schon ziemlich gut und weiß um die Vorzüge seiner Mitglieder. Ich freue mich, mit den Sänger*innen nun eine neue, tiefere Beziehung aufbauen zu dürfen. Neben der künstlerischen Zusammenarbeit wird folglich die zwischenmenschliche Beziehung zum Ensemble vermehrt in den Fokus meiner Arbeit rücken. Als Chefdirigent muss man ein offenes Ohr für die Anliegen der Sänger*innen haben, diese Verantwortung geht weit über das Künstlerische hinaus.
Der Schweizer Dirigent Nicolas Fink, Jahrgang 1978, ist bereits seit 2011 ein geschätzter Gastdirigent des WDR Rundfunkchores (z.B. für den TV-Film „Rachmaninow: Ganznächtliche Vigil“ oder Prauliņš „The Nightingale“) und begeisterte sowohl Sänger*innen als auch das Publikum. Auch mit weiteren ARD Rundfunkchören und dem Choeur de Radio France arbeitet er regelmäßig zusammen. Beim Berliner Rundfunkchor war er von 2010 bis 2015 Chorassistent. Ferner ist er künstlerischer Leiter des Schweizer Jugendchores und Chordirektor beim Schleswig-Holstein Musik Festival.
Was haben Sie sich für die nächsten drei Jahre mit dem WDR Rundfunkchor vorgenommen?
Ich möchte das Profil des Chores weiter schärfen und seine Stärken vermehrt bei der Repertoirewahl berücksichtigen. Die Sänger*innen bringen fantastische technische Voraussetzungen mit, ideal, um einen flexiblen, farbenreichen Chorklang herauszuarbeiten. Welche Aufgaben sehen Sie zukünftig für Rundfunkchöre, insbesondere für den WDR Rundfunkchor? Ich glaube, dass Rundfunkchöre sich wieder vermehrt auf ihre historische Aufgabe konzentrieren werden, nämlich über Medien Kultur zu den Menschen nach Hause zu bringen. Natürlich spielt hier das Radio eine ganz andere Rolle als zu Anfangszeiten vor bald 100 Jahren. Aktuell stellen uns die modernen, digitalen Medien vor große Herausforderungen. Hier möchte ich gezielt Antworten auf die Fragen unserer Zeit herausarbeiten.
Wie sehen Programme, Konzerte oder Botschaften des WDR Rundfunkchores für das Chor-Publikum von morgen aus?
Die Zeiten von Kunst um der Kunst willen gehören meines Erachtens der Vergangenheit an. Kultur muss eine gesellschaftliche Funktion einnehmen, zum Denken anregen, manchmal auch provozieren. Da gehört programmatisch Neues genauso dazu wie das Standardrepertoire – nur ist die Frage, in welchen Kontext man die Werke jeweils stellt. Selber singen ist voll im Trend. Aber was schafft den Reiz zum An- und Zuhören von hochkarätigem, klassischem Chorgesang? Wir alle wissen um die zahlreichen positiven Einflüsse des Singens, besonders wenn man es regelmäßig gemeinsam im Chor tut. Der WDR Rundfunkchor kann durch seine Erfahrung und die überaus intensive Probenarbeit dabei ein sehr breites stilistisches Repertoire abdecken. Er steht für absolute Klarheit, besondere Prägnanz und wunderbare Klangvielfalt. Dieser Ausdruck soll abstrahlen und anstecken: Wir wünschen uns, dass die Gemeinschaft, die wir beim Singen empfinden, auch von unseren Zuschauer*innen – egal ob selber aktiv in einem Laienchor oder nicht – gespürt wird und sie für einen Moment beflügelt. Was wünschen Sie sich selber für den WDR Rundfunkchor und von Nordrhein-Westfalen? Ich wünsche mir, dass die Chorgemeinschaft in Nordrhein-Westfalen stolz auf ihren Rundfunkchor ist und sich als Teil unserer Mission versteht. Und dass diese Chorgemeinschaft – auch durch unseren Beitrag – weiter wachsen möge!