Werkeinführung: Bernstein - Sinfonische Tänze aus "West Side Story"

Von Otto Hagedorn

Die Trennung zwischen Ernster und Unterhaltungs-Musik ist wohl nirgends so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Schaut man etwa nach England, sind dort die Grenzen weniger strikt gezogen. Und noch fließender sind die Übergänge zwischen den beiden Grundrichtungen E- und U-Musik in den USA – siehe André Previn. Ein ähnlich breit aufgestellter Musiker war Leonard Bernstein. Er war nicht einfach nur ein exquisiter Dirigent und Komponist, sondern ist bis heute eine der größten Legenden der Musikgeschichte. Am Dirigentenpult war er zeitlebens der coole Antipode von Herbert von Karajan. Als Chefdirigent des New York Philharmonic entwickelte Bernstein die pädagogische Fernsehreihe "Young People’s Concerts", die noch heute als mustergültiger Beitrag zur musikalischen Bildung gilt. Häufig dirigierte er die Wiener Philharmoniker und nahm zahlreiche Schallplatten mit ihnen auf.

Als Komponist war Bernstein vor allem mit Broadway-Musicals erfolgreich, darunter "On the Town" (1944), "Candide" (1956) – und insbesondere dem Welterfolg "West Side Story" (1957). Vorlage dafür war William Shakespeares Schauspiel "Romeo und Julia", das der Komponist gemeinsam mit dem Choreografen Jerome Robbins neu interpretierte. Dafür verlegten sie die Handlung vom italienischen Verona ins New York der 1950er Jahre. Die Erzfeinde sind hier nicht die Familien Montague und Capulet, sondern rivalisierende Jugendbanden von jungen Puerto Ricanern und US-Amerikanern. Romeo heißt hier Tony, und Julia heißt Maria. Allerdings finden nicht beide Liebende den Tod, sondern allein Tony stirbt in Marias Armen. Seit der Uraufführung am 26. September 1957 im New Yorker Winter Garden Theatre ist dieses Musical ein Kassenschlager. Nur zwei Jahre später erschien ein vielbeachtetes Jazz-Album mit acht Nummern daraus – mit keinem Geringeren als André Previn am Klavier. Und auch den Konzertsaal hat Bernsteins Musik im Nu erobert, in Form der "Sinfonischen Tänze", die er 1960 aus den besten musikalischen Nummern zusammengestellt hat. Hier jagt ein Hit den anderen. Deutlich hörbar sind die musikalischen Charakteristika, mit denen Bernstein die beiden Banden ausgestattet hat. Für Amerika steht der sogenannte Progressive Jazz der 1950er Jahre, so im Scherzo, in "Cool" und "Fugue", und Puerto Rico symbolisieren lateinamerikanische Tänze wie der "Mambo" und "Cha- Cha". Musik, so mitreißend wie anrührend.

Mehr zu Bernsteins Musical "West Side Story":

Leonard Bernstein: West Side Story WDR 3 Meisterstücke 29.11.2020 13:09 Min. Verfügbar bis 27.11.2030 WDR 3

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