DJ Koze: "Music Can Hear Us". COSMO Album der Woche. 14.04.2025. 02:50 Min.. Verfügbar bis 14.04.2026. COSMO. Von Lukasz Tomaszewski.
Schon die Location für das Interview am Rande der Berlinale ist very special: ein Musikzimmer in einem Boutique-Hotel voller Instrumente samt Plattenspieler. DJ Koze empfängt den Journalisten gut gelaunt in seinem roten Turban – eine Art Markenzeichen des Hamburger Soundgurus from Outta Space. Bevor es losgeht, wird über würdevolles Altern und Relevanzverlust geplaudert. "Ach so", sagt Koze nach einer Viertelstunde, "ich dachte, das war das Interview. Na gut, dann lass uns über das Album reden." Humor hat der Mann schon immer gehabt.
Flucht ins Außerweltliche
"Music Can Hear Us" ist für DJ Koze eine Art Flucht ins Außerweltliche, der Versuch, einen eigenen Planeten zu erschaffen, der nichts mit unseren von Spotify geprägten Hörgewohnheiten zu tun hat. Nichts soll vorhersehbar sein, erklärt er. Darum finden wir darauf Amapiano aus Südafrika und Baile Funk aus Brasilien, aber auch melancholische Singer-Songwriter-Passagen und sogar rohe Breakbeats. "Music Can Hear Us"“ ist ein echter Trip, an dem er sieben lange Jahre getüftelt hat. Wenn alle Songs stehen, dann verbringt der Produzent genauso so viel Zeit mit dem Mixing. "Damit die Scheiße am Ende klingt wie aus einem Guss." Und das tut sie.
Sound of Zeitgeist
"Music Can Hear Us"ist ein bis ins kleinste Detail ausgetüftelter und grenzüberschreitender Soundmix. Musikalisch ein quirliger Klangtrip aus überraschenden Breaks, mysteriösen Effekten und subtilen Club-Hymnen. Emotional ist es ein freier Fall in die Melancholie. "
Es gibt kein Telefonat mehr, das nicht politisch endet gerade" DJ Koze
Wenn er sich monatelang in seinem Studio eingräbt, dann ist Musik sein Safe Space. Melancholie sei gerade die passende Gefühlslage, alleine schon, weil Melancholie auch ein bisschen Hoffnung mache. Das, was die Portugiesen als Saudade bezeichnen – den eigenartigen Seelenzustand zwischen Traurigkeit, Fernweh und Hoffnung –, übersetzt DJ Koze mit seinen vielen Gästen in die Welt der mutigen Seite von elektronischer Musik.
Sinnbildlich dafür steht der Song "Unbelievable" mit seiner musikalischen Muse und langjährigen Weggefährtin Ada. DJ Koze packt die kristallklare Stimme der Sängerin in knisternde Filter-Effekte und zerhackt sie in tausend Teile, sodass sie am Ende wie in Watte verpackt klingt. Dazu kommen minimalistische Kickdrums und ultralangsame Broken Beats. Am Ende klingt das wie der Soundtrack zu einem David-Lynch-Film. Genau dieser Spirit, sein experimentierfreudiger, verspielter Sound zeichnen DJ Koze aus. Pop-Elemente, unerwartete Electro-Breaks, verträumte Synthesizer-Flächen, winzige Gesangs-Schnipsel, die durch Effekte verfremdet werden.
Von Damon Albarn …
DJ Kozes Komplizen sind humanistische Feingeister, die sich der Kunst verschrieben haben und nichts mehr zu beweisen haben. Ob Indie-Elfe Sophia Kennedy oder Popstar Damon Albarn. Mit dem Frontmann von Blur und den Gorillaz ist der Song "Pure Love" entstanden. Die Stimme der Britpop-Ikone hört man durch einen Vocoder singen. Sound-Puristen mögen das für einen Affront halten, für Koze ist das eher interessant:
"Wieso sollten wir denn nur wissen, wie ein Vocoder bei Capital Bra klingt und nicht wie bei Damon Albarn?" DJ Koze
Und klar, wen überrascht es: Klingt super. Koze hat auf dem von Highlife-Gitarren getragenen Song sogar einen Lacher Albarns draufgelassen.
… bis Düsterboys
Ein weiterer Geniestreich ist das Remake von "Wie schön du bist", im Original von DDR-Ikone Holger Biege. Für die Rechte am Song musste sich Gastsänger Arnim von den Beatsteaks richtig reinknien. Bieges Witwe war eigentlich dagegen. "Arnim musste den netten Schwiegersohn spielen, und die haben sich dann getroffen, haben Eis gegessen, und danach hat sie gesagt: "Mensch, ich fühl das jetzt doch, ihr seid ja doch nicht die Treuhand.'"
Danach hat die Indie-Band Düsseldorf Düsterboys auch noch ihren Gesang über ein simples Laptop-Mikro eingesungen und fertig war der Song. Das ist mehr als nur Kreativität: Das ist Courage und Können. Und auch ein wenig "Ich lass das jetzt so". DJ Kozes Comeback besteht aus fünfzehn mutigen, empathischen und auch humorvollen Soundgeschichten. Wie ein weiser Prophet flüstert er uns zu: "Baut keinen Scheiß, Music can hear us."