Gewalt, Verfolgung und Willkür – Wie das Regime psychisch krank macht COSMO Video 27.10.2023 01:02:35 Std. Verfügbar bis 27.10.2025 COSMO

Gewalt, Verfolgung und Willkür – Wie das Regime psychisch krank macht

Stand: 27.10.2023, 00:01 Uhr

Fotos und Videos von schwer verletzen Protestierenden, trauernde Angehörige an den Gräbern ihrer Kinder, gewaltsame Festnahmen: Was hat es mit uns gemacht, die #IranRevolution so bildgewaltig auf unseren Smartphones zu verfolgen? Gemeinsam mit Psychotherapeutin Yasaman Soltani und Unternehmerin Madeleine Alizadeh (DariaDaria) ergründet Host Shanli Anwar in dieser Folge "Iran im Herzen", die psychischen Folgen, die die Politik der Islamischen Politik bei Iraner:innen hinterlässt.

Nur wenige Tage nach Beginn der Protestbewegung ruft Psychotherapeutin Yasaman Soltani ein Therapie-Angebot für Iraner:innen aus Frankfurt und Umgebung ins Leben. Heute sagt sie, dass die Gruppentherapie nicht nur den teilnehmenden Personen geholfen hat, sondern auch ihr selbst. Insbesondere die erste Sitzung sei sehr intensiv gewesen: "Ich habe nur durchgezittert in den 90 Minuten. Das habe ich aber auch gesagt. Wir waren alle im selben Boot."

Therapeutische Angebote, wie die das Soltani, sind aber eine Seltenheit. Dabei waren insbesondere die ersten Wochen der revolutionären Bewegung für viele Iraner:innen eine psychische Herausforderung. Die Teilnehmenden ihrer Therapie-Gruppe waren zum Großteil noch nicht sehr lange in Deutschland. Ihre Kernfamilien und Freunde waren vor Ort, haben teilweise mit protestiert und ihr Leben riskiert. Diese intensive Bindung zu Menschen in Iran und die expliziten Fotos und Videos, die teils rohe Gewalt dokumentierten, haben ihre Spuren hinterlassen. So hat Soltani vermehrt Anzeichen von Trauma und Posttraumatischer Belastungsstörung festgestellt.

"Wenn du ein Trauma bezeugst, kannst du auch eine Posttraumatischebelastungsstörung davon bekommen. Wir haben absolute Gewaltbilder mit nur einem Kanal wahrgenommen. Da wird nichts analysiert, da gibt’s gar keinen Filter, das geht sofort in die tiefsten Hirnregionen. Und das ist pure Emotion und pure Anspannung." Yasaman Soltani

Auch Unternehmerin und Content Creatorin Madeleine Alizadeh ("DariaDaria") hat die ersten Wochen der Bewegung intensiv auf ihrem Instagram-Profil mit ihren über 300.000 Follower:innen geteilt. Dort ist sie nicht nur bekannt für ihren Mode-Content, sondern auch für politischen Inhalte. Gespaltene Reaktionen auf politische Statements sind ihr also nicht neu. Bei ihrem Engagement für die "Frauen-Leben-Freiheit"-Bewegung kam für sie als Tochter eines Iraners in der Kritik an ihrer Arbeit jedoch auch eine sehr persönliche Komponente hinzu.

"Ich poste zu wenig. Ich poste die falschen Sachen. Ich soll das Kopftuch auf keinen Fall verteidigen, egal in welchem Kontext. Im Prinzip ein ganz normaler politischer Diskurs, nur in dem Fall sehr aufgeladen, sehr persönlich, sehr projizierend." Madeleine Alizadeh

Natürlich sei das belastend gewesen, jedoch nicht der Grund, weshalb sie mittlerweile deutlich weniger zur revolutionären Bewegung in Iran postet. Ihr Beruf sei nun mal nicht, als "Iran-Newschannel" zu agieren. Und auch das gehört zur Realität: Hätte sie bis zum ersten Jahrestag der Bewegung in dieser Intensität die Postings zur Frau-Leben-Freiheit-Bewegung aufrechterhalten, hätte sich das massiv auf ihre Reichweite ausgewirkt.

Doch nicht nur die akute Lage der aktuellen Protestbewegung in Iran stellt für Iraner:innen sowohl im In-, als auch Ausland eine große psychische Herausforderung dar. Das Aufwachsen in einer Diktatur, Inhaftierung und Foltererfahrungen, aus politischen oder Sicherheitsgründen seit Jahrzehnten nicht in den Iran reisen zu können, getrennt von der Familie – all das sind Themen, die Host Shanli Anwar in dieser Folge "Iran im Herzen" mit unseren Gästinnen bespricht.

Wie das Regime psychisch krank macht - mit Madeleine Alizadeh (DariaDaria) & Yasaman Soltani COSMO Iran im Herzen 27.10.2023 01:02:35 Std. Verfügbar bis 09.10.2034 COSMO Von Parniean Soufiani

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Hilfsangebote:

Solltet ihr euch betroffen fühlen oder Personen im Umfeld haben, die betroffen sind, kontaktiert bitte umgehend die Telefonseelsorge online oder unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222.

Sollte die Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung (insbesondere Suizidgefährdung) bestehen, zögert nicht einen psychiatrischen Notdienst oder den Rettungsdienst unter der 112 zu verständigen.

Weitere Informationen zum Thema Mental Health findet ihr auch bei der Deutschen Depressionshilfe. Bei iFightDepression könnt ihr online eure psychische Gesundheit stärken. 

Yasaman Soltani wurde 1983 während des Iran-Irak-Kriegs in Iran geboren. Kurz nach ihrer Geburt kamen ihre Eltern aufgrund ihres politischen Engagements ins Gefängnis. Auch Soltani hat als Säugling einige Tage im Gefängnis verbracht. Eine traumatische Erfahrung, die sie unter anderem zu ihrer Berufswahl bestärkt hat. Seit Beginn der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung leitet die psychologische Psychotherapeutin aus Frankfurt eine Gruppentherapie für Iraner:innen. Sie kennt jedoch nicht nur die psychischen Belange der Menschen aus der Community in Deutschland. 2019 lebte sie für einige Monate in Iran und arbeitete dort als Psychotherapeutin. Aufgrund der angespannten politischen Lage und der Corona-Pandemie, konnte sie ihren Plan, dauerhaft in Iran zu bleiben, jedoch nicht weiter umsetzen.

Madeleine Alizadeh ("DariaDaria") ist Tochter eines iranischen Vaters und einer österreichischen Mutter. Die Unternehmerin und Content Creatorin verbindet mit dem iranischen Teil ihrer Familie vor allem die ausgelassene Atmosphäre und Wärme, die sie beim gemeinsamen Feiern von Festtagen wie Nouruz erlebt hat. Alizadeh hat ein Fair Fashion Unternehmen gegründet, das einen großen Teil ihrer Arbeit einnimmt. Als Content Creatorin bewirbt sie jedoch bei Weitem nicht nur Mode, sondern macht sich auch gegen Diskriminierung und für Minderheiten stark. In den ersten Wochen und Monaten der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung war auch sie eine laute, deutschsprachige Stimme für die Proteste in Iran und wurde für ihren intersektionalen Blick auf die Bewegung teilweise persönlich angegriffen.