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Ein Stapel mit Akten liegt auf einem Schreibtisch in einem Behördenbüro.

WDR 5 Tagesgespräch

Wie dringend brauchen wir weniger Bürokratie?

Weniger Papierkram – diese frohe Botschaft kam gestern aus Berlin. Dort wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien und der CDU ein Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen. Mal wieder, denn Bürokratie ist in der deutschen Politik ein Dauerthema. Erleben Sie in Ihrem Alltag gerade besonders viel davon? Diskutieren Sie mit im WDR 5 Tagesgespräch!

Wie dringend brauchen wir weniger Bürokratie?

WDR 5 Tagesgespräch 27.09.2024 45:17 Min. Verfügbar bis 27.09.2025 WDR 5


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Der Bundestag hat verkürzte Aufbewahrungsfristen für Belege und rund 60 weitere Einzelmaßnahmen beschlossen, wie das Entfallen der Meldepflicht bei Hotels für deutsche Staatsangehörige oder Erleichterungen für Steuerberaterinnern und Steuerberater. Das Ziel: den bürokratischen Aufwand für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger zu senken.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einer "Trendwende" und einem "Kampf gegen die Zettelwirtschaft", der aber offenbar noch nicht lange nicht gewonnen ist. Schließlich gibt es in Deutschland 1.792 Gesetze und 2.854 Rechtsverordnungen. Und die darin versteckten Einzelnormen zählen fast 100.000. So kündete Marco Buschmann auch gleich ein Jahresbürokratieentlastungsgesetz 2025 an, mit dem weitere Entlastungen auf den Weg gebracht würden.

Vielleicht ja auch noch mehr für Handwerker? Der bürokratische Aufwand, den diese in Deutschland betreiben müssten, sei "manchmal nur mit Humor zu ertragen", meinte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Grund dafür seien aber nicht nur Entscheidungen der Ampel-Regierung, sondern auch Gesetze und Verordnungen früherer Bundesregierungen und der Europäischen Union. Für CDU-Fraktionsvize Jens Spahn sei Deutschland "leider Meister darin, auf die EU-Bürokratie noch einen draufzusetzen". Das Lieferkettengesetz sei dafür ein Paradebeispiel.

Ob in Wirtschaft, Wissenschaft oder Verwaltung: Bürokratie wird fast nur als eine Art "Ungeheuer" wahrgenommen. Auch bei den Kirchen: "Wir verwalten uns zu Tode", sagt der evangelische Landesbischof von Bayern, Christian Kopp. Jede Bundesregierung der letzten 50 Jahre hatte sich Bürokratieabbau auf die Fahne geschrieben – mehr oder weniger erfolglos.

Ein guter Teil der deutschen Bürokratie ist Föderalismus geschuldet, der gewährleisten soll, dass regionale Bedürfnisse und Probleme ausreichend berücksichtigt werden. Verwaltungswissenschaftler wie Werner Jann sagen: Bürokratie gilt zu Unrecht als Schimpfwort, weil sie für feingliedrige Regelungen steht, mit denen der Staat versucht, die immer komplexeren Probleme der heutigen Gesellschaft in den Griff zu bekommen. Wie ließen sich sonst wertvolle Standards bei Umweltschutz, Verbraucherrechten und politischer Partizipation durchsetzen? Und im Zweifel gilt doch vielleicht auch: Besser kompliziert geregelt als gar nicht geregelt.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Bürokratie? In welchen Bereichen behindert, bremst oder nervt sie? Haben Sie erlebt, dass Bürokratie existenzgefährdend sein kann? Welche bürokratische Regelungen sollten besser wegfallen oder vereinfacht werden? Ist für Sie Deutschland der Bürokratie-Weltmeister? Oder ist Bürokratie einfach eine automatische Nebenwirkung unserer Demokratie? Empfinden Sie, das über zu viel Bürokratie ständig gejammert wird? Wo nehmen Sie Bürokratie vielleicht auch gerne in Kauf – auch wenn sie die Sache komplizierter macht?

Gast: Prof. Christoph Knill, Politikwissenschaftler LMU München

Redaktion: Lars Schweinhage und Thomas Vehling

Rufen Sie uns während der Sendung an (WDR 5 Hotline 0800 5678 555).