Ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fürchtet Winston Churchill, dass die übermächtigen Sowjets unter Josef Stalin Westeuropa überrollen könnten. Der britische Premierminister fordert daher als Gegengewicht die "Vereinigten Staaten von Europa".
"Der erste Schritt bei der Neugründung der europäischen Familie muss eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein", so Churchill in seiner berühmten Züricher Rede. Nur eines will der Premier nicht: Dass die Briten dabei sind.
Wirtschaftsboom in der EG
Großbritannien hofft, dass sich ihr Commonwealth zu einer eigenen Wohlstands- und Handelszone entwickelt. Doch während die englische Wirtschaft in den 1950er Jahren stagniert, florieren die Geschäfte in der aus sechs Ländern bestehenden Europäischen Gemeinschaft (EG).
"Und nun setzt ein Wandel in Großbritannien ein, ein Wandel im Denken", erklärt der Historiker Peter Alter. "Jetzt sieht man plötzlich mehr Chancen in Europa, in dem sich integrierenden Westeuropa."
Großbritannien bewirbt sich zweimal vergeblich um eine Aufnahme in die EG. Erst als Charles de Gaulle den Élysée-Palast verlässt und mit Edward Heath ein begeisterter Europäer in die Downing Street 10 einzieht, wendet sich das Blatt.
Europäische Gemeinschaft statt Empire?
Der englische Premierminister reist im Mai 1971 nach Paris, um Präsident George Pompidou von den Vorteilen einer engen Partnerschaft zu überzeugen. "Er dachte europäisch, er dachte nicht im Sinne einer britischen Weltmachtstellung", so Historiker Peter Alter über Edward Heath.
Am 23. Juni 1971 ist es soweit: Nach einem mehr als 30-stündigen Verhandlungsmarathon auf dem luxemburgischen Kirchberg öffnet die EG das Tor für Großbritannien. Die Delegierten und wartenden Journalisten stoßen mit Champagner auf den "historischen Tag für Europa" an.
Am 1. Januar 1973 wird Großbritannien zusammen mit Dänemark und Irland offizielles Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Champagner-Anlässe sind in den folgenden Jahrzehnten indes seltener, zu unterschiedlich sind die Ansichten.
Brexit-Chaos und schweres Ende
Die kontinentaleuropäischen Staaten streben eine politische Einheit an, Großbritannien ist hingegen nur an wirtschaftlichen Vorteilen interessiert. Entsprechend verzögern, blockieren oder unterlaufen die Briten politische Einigungsstufe in Europa. Sie machen nicht mit beim Schengen-Abkommen und auch nicht beim Euro.
Im Juni 2016 kommt es zum Showdown: In einer Volksabstimmung beschließt Großbritannien den Brexit - den Austritt aus der Europäischen Union. Damit endet am 1. Januar 2021 die fast fünf Jahrzehnte währende wirtschaftliche und politische Gemeinschaft zwischen Kontinental-Europa und Großbritannien.
Autor des Hörfunkbeitrags: Heiner Wember
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 21. Juni 2021 an den Beitritt Großbritanniens zu EG. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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