Am Samstag, dem 1. Juli 1972, soll die Schach-WM feierlich im isländischen Reykjavik eröffnet werden. Wer fehlt, ist Bobby Fischer. Man wirft dem US-Amerikaner einen Nervenkrieg gegen den sowjetischen Titelverteidiger Boris Spasski vor.
Mit Geld und sanftem Druck zur WM-Teilnahme gebracht
Die US-Regierung schaltet sich ein. So richtet sich der damalige Sicherheitsberater des Präsidenten Richard Nixon, Henry Kissinger, an Fischer, zum prestigeträchtigen Duell gegen den Russen anzutreten und die Weltmeisterschaft zu gewinnen.
Ein britischer Millionär stiftet zusätzliches Preisgeld. Fischer reist doch endlich nach Island. Das angesetzte erste Match wird auf den 11. Juli verschoben.
Sowjetische Vorherrschaft im Schach
Es wird eines der größten Schachduelle im kollektiven Gedächtnis der Menschheit. Es ist die Hochphase des Kalten Krieges. Seit 24 Jahren sind die Sowjetrussen die führende Schachnation. Und nun kommt es zum Duell der beiden Supermächte um die Krone im Schach.
Nicht nur ein Kampf der Systeme
24 Partien stehen bei dem Titelkampf auf dem Plan. Es ist nicht nur ein Kampf der politischen Systeme. Hier Boris Spasski, der amtierende Schachweltmeister, gebildet, mit feinem Humor. Dort das Enfant terrible der Schachwelt – Bobby Fischer, rüpelhaft und sonderbar.
Nervenkrieg rund um das Brett
Fischer beginnt einen Nervenkrieg. Ihm passt das Licht nicht. Auch die Größe des Schachbretts bemängelt er. Die ersten beiden Partien verliert er, zur zweiten tritt Fischer gar nicht an, weil ihn die Kameras stören.
"Um Gottes willen spielt jetzt"
Es bleibt schwierig. Lothar Schmid, damals Hauptschiedsrichter, erinnert sich an das Geplänkel vor dem dritten Spiel: "Auch dort hat Bobby erst mal Schwierigkeiten gemacht. Er wollte dann plötzlich nicht und dann wollte er wieder Spasski nicht, weil ihn Bobby jetzt störte."
Irgendwie gelingt es, die beiden an das Spielbrett zu bringen. "Und ich drückte auf deren Schultern mit den Händen, sodass ich sagte um Gottes willen spielt jetzt! Und ja!"
Spasski gibt sich geschlagen
Fischer gewinnt die dritte Partie und danach eine ganze Reihe der folgenden. Nach 20 Partien liegt Bobby Fischer deutlich vor Boris Spasski. Am 31. August 1972 wird die Partie nach Spasskis 41. Zug als Hängepartie unterbrochen.
Spasski erscheint am nächsten Tag nicht mehr. Er teilt Lothar Schmid telefonisch mit, dass er die Partie aufgebe. Bobby Fischer ist nach nur 21 Partien neuer Schach-Weltmeister.
Folgenschwerer Schaukampf
Den Titel verteidigt Bobby Fischer 1975 gegen den Herausforderer Anatoli Karpow aus der Sowjetunion nicht mehr und verliert ihn am grünen Tisch.
Bis 1992 macht Fischer sich in der Öffentlichkeit rar. Dann taucht er mitten im Jugoslawienkrieg bei einem mit mehreren Millionen Dollar dotierten Schaukampf gegen den alten Rivalen Boris Spasski plötzlich in Belgrad wieder auf. Spasski verliert knapp.
Auf den Fahndungslisten der US-Behörden
Mit dem Schaukampf missachtet Bobby Fischer das bestehende Embargo gegen Jugoslawien und gerät auf die Fahndungslisten der US-Behörden. 2004 wird er in Japan verhaftet.
Gudmundur Thorarinsson, isländischer Schachspieler und Veranstalter der Schach-WM 1972, und einige Freunde können Fischer in Japan aus der Haft holen und bringen ihn nach Island, wo er die isländische Staatsbürgerschaft erhält.
Bobby Fischer stirbt am 17. Januar 2008 mit 64 Jahren in Reykjavik an Nierenversagen.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Andrea Kath
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. Juli 2022 an das Endspiel der Schach-WM zwischen Boris Spasski und Bobby Fischer. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 12.07.2022: Vor 460 Jahren: Die Verbrennung der Maya-Schriften durch Diego de Landa.