Schalke 04: Trauer um Josef Schnusenberg

Stand: 20.12.2024, 18:20 Uhr

Der langjährige Schalke-Funktionär verstarb in der Nacht zu Freitag, wie die Königsblauen bekannt gaben. Der Ex-Präsident war eine der prägendsten Persönlichkeiten der Vereinsgeschichte.

Von Jörg Strohschein

Es ist nicht ganz 20 Jahre her, da traf Josef Schnusenberg eine kühne Voraussage: "Wenn wir die Arena einmal abbezahlt haben, dann schwimmen wir im Geld", sagte er zurück gelehnt und voller Selbstbewusstsein in der Lobby eines teuren Hotels im türkischen Antalya - als er den Schalker Profis im Trainingslager einen Besuch abstattete. Er würde sich täuschen. Aber das konnte er damals noch nicht wissen.

Schnusenberg war ein Mann der Zahlen. Er war selbstständiger Steuerberater, gründete und führte eine eigene Kanzlei im ostwestfälischen Rheda. 1994 brachte ihn der ehemalige und viel zu früh verstorbene S04-Präsident Bernd Tönnies, Bruder vom langjährigen späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, als Schatzmeister in den Klub.

"Der macht bei uns die Kasse"

Der "Schnusi", wie er von allen Schalkern später nur genannt wurde, hatte sich schon damals um die Finanzen des Fleischkonzerns gekümmert. Und wer das konnte, der konnte auch einen Fußballverein hinbekommen - so die damalige Annahme. Da war etwas dran.

Ex-Manager Rudi Assauer nahm den etwas gemütlich wirkenden "Schnusi" fest in das Führungsteam der Schalker auf. "Das ist übrigens der Jupp. Der macht bei uns die Kasse", stellte Assauer den "Neuen" in seiner ihm eigenen Art vor. Sogar Assauer konnte sich täuschen, Schnusi war viel mehr.

Unterschätzen durfte den mit einer gehörigen Portion ostwestfälischer Sturheit ausgestatteten Schnusenberg niemand - wie sich in den nächsten Jahren herausstellen sollte.

Sportliche Erfolge

Dem Klub reichte das Wasser in der Phase von Schnusenbergs Einstieg mal wieder bis zum Hals. Die Banken drohten sogar damit, dem hoch verschuldeten Verein die gewährten Darlehen zu entziehen. Schnusenberg half in seiner ersten Tagen dabei, das Geld zu beschaffen, die Strukturen zu verändern und wurde dann auch Teil des ersten hauptamtlichen Vorstands des Vereins.

Es ging danach wieder aufwärts - auch sportlich. Der UEFA-Pokalsieg 1997, die schmerzhafte Meisterschaft der Herzen 2001, DFB-Pokalsiege (2001 und 2002). Dafür hatte Schusenberg die finanziellen Weichen gestellt.

Treffen mit dem FC Barcelona

Auch für die erstmalige Teilnahme des S04 an der Champions League. Beobachtern ist aus dieser Zeit besonders ein Treffen mit der Vereinsführung des FC Barcelona im Viertelfinale der Saison 2007/08 in Erinnerung geblieben.

Während sich die Granden der Katalanen um Präsident Joan Laporta im edelsten Zwirn zum Mittagessen mit der S04-Vereinsführung begaben, hatte "Schnusi" einen offenbar selbstgestrickten Pullover herausgekramt und diesen - zum Erstaunen einiger Teilnehmer - ganz ohne Bedenken präsentiert.

So war Josef Schnusenberg. Es ging ihm stets um die Sache, nicht um die äußere Form. Er war unprätentios, hermdsärmelig, lösungsorientiert, mutig - und in all diesen Wesenszügen auch ein wenig liebevoll schrullig.

Kontroverse Schechter-Anleihe

Aber eines bleibt auf Schalke vor allem mit Schnusenberg verbunden: Er und seine Mitstreiter legten bereits im November 1998 den Grundstein für ein wahrlich wagemutiges Projekt: die Arena AufSchalke, finanziert in Eigenregie. Der Weg in eine bessere Schalker Zukunft. 2001 wurde das neue, europäische Maßstäbe setzende Stadion, eröffnet.

Schnusenberg nutzte dafür den bis dahin nur Finanz-Insidern bekannte Weg der so genannten Schechter-Anleihe. Trotz Zweifel und Kritik aus der Öffentlichkeit ließ sich Schnusenberg nicht beirren. Das Risiko erschien von Beginn an hoch.

Später musste Clemens Tönnies einspringen und für rund 65 Millionen Euro bürgen. Mitten in der Finanzkrise hatten die Investoren hinter der Schechter-Anleihe Druck gemacht und wollten mehr Sicherheiten für ihr Geld haben. Am Ende ist alles gut gegangen, im Juli 2019 wurde vom Verein die letzte Rate für das Stadion überwiesen.

Vorhersage nicht wahr geworden

16 Jahre lang war Schnusenberg im Vorstand des Klubs aktiv, drei Jahre davon als Vorstandsvorsitzender - oder auch Präsident. Seit 2013 ist er Teil des Ehrenpräsidiums des Klubs. Er hatte den Klub zu einem der erfolgreichsten deutschen Vereine geformt.

Diesen letzten Akt des schleichenden Untergangs sowohl sportlich als auch finanziell hat er nur noch als Freund des Vereins von Außen betrachtet, seit 2010 war er nicht mehr aktiv im Verein, war nur noch regelmäßiger Besucher "seiner" Arena.

Schnusenbergs Vorhersage, dass das Geld bei den Schalkern irgendwann im Überfluss vorhanden sein würde, ist nicht wahr geworden. Die Entwicklungen im Verein in den letzten Jahre hatten Schnusenberg mit Blick auf Schalke 04 zugesetzt, wie er in der WDR-Dokumentation "Schalke am Abgrund" sagte.

Josef Schnusenberg verstarb nach schwerer Krankheit in der Nacht zu Freitag im Alter von 83 Jahren.