Stichtag

27. Februar 1955 - Bundestag ratifiziert Pariser Verträge

In der Bundesrepublik haben die meisten Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg genug von Waffen und Militär. Doch Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) sieht den Frieden bedroht - durch die Sowjetunion. Er ist sich sicher, ohne deutsche Soldaten werden die Russen Westeuropa überrollen. Deshalb stellt er sich gegen die öffentliche Meinung. "Seine Politik ist die der Westbindung", sagt Historiker Thorsten Loch am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Über die völlige Integration der Bundesrepublik in die westliche Staatengemeinschaft habe Adenauer "perspektivisch die Wiedervereinigung erlangen" wollen.

Adenauer will also sowohl die deutsche Selbstbestimmung zurück als auch die Bundesrepublik mit einer neuen Armee im Westbündnis verankern. "Ohne Amerika ist eine Verteidigung Europas gegenüber der Sowjetunion unmöglich", sagt er Anfang September 1954 im Bundestag. Auch die USA, Großbritannien und Frankreich sind an einem deutschen Beitrag zur Verteidigung der westlichen Welt interessiert. Ende September 1954 ist man sich einig: Die Bundesrepublik wird NATO-Mitglied und stellt eigene Truppen auf. Verboten bleiben der geplanten Bundeswehr allerdings verzichtet atomare, biologische und chemische Waffen. Im Gegenzug erhält Westdeutschland seine Souveränität. Diese Regelung wird in den sogenannten Pariser Verträgen festgeschrieben, die am 23. Oktober 1954 auch von Adenauer unterzeichnet werden.

SPD lehnt Vertragswerk ab

Die Pariser Verträge sorgen in der Bundesrepublik jedoch für Unmut. Denn vorerst ist die Deutsche Frage zugunsten einer Teilung entschieden. Mehr noch: Die Alliierten haben sich vorbehalten, auch künftig über eine deutsche Wiedervereinigung mitzureden. Der SPD-Chef Erich Ollenhauer bemängelt deshalb in einem Brief an Adenauer vom 23. Januar 1955, die Annahme der Pariser Verträge führe "zu einer verhängnisvollen Verhärtung der Spaltung Deutschlands". Am 27. Februar 1955 kommt es zur entscheidenden Debatte im Bundestag: "Nach einer 14-stündigen Redeschlacht fielen die Würfel", meldet die "Neue Deutsche Wochenschau". "In einer namentlichen Abstimmung entschieden sich zwei Drittel der Abgeordneten für das Pariser Vertragswerk." Ohne die Stimmen der SPD.

Am 5. Mai 1955 treten die Pariser Verträge in Kraft. Einen Tag später tritt die Bundesrepublik der NATO bei. Der sowjetische Vorschlag eines zwar wiedervereinten, dafür aber neutralen Deutschland ist endgültig vom Tisch. Am 12. November desselben Jahres werden die ersten Soldaten der Bundeswehr ernannt. Die Trennung der Welt in Ost und West wird nun an der innerdeutschen Grenze sichtbar: Im Westen wächst eine Wehrpflicht-Armee mit einer Stärke von 500.000 Mann. Im Osten hatte die DDR bereits eine kasernierte Volkspolizei. Daraus entsteht nun eine Nationale Volksarmee mit 120.000 Soldaten.

Adenauer will deutsche Atomwaffen

Der Preis der westdeutschen Unabhängigkeit ist eine Verschärfung der Fronten im Kalten Krieg. Adenauer will nun ebenfalls die Atombombe als Machtoption: "Wenn die ganzen NATO-Truppen mit nuklearen Waffen versehen sind, aber nicht die deutschen, dann, meine Damen und Herren, sind die deutschen Truppen nichts anderes wie Futter für den Gegner", sagt der Kanzler am 18. November 1960 vor CDU-Gremien. Doch diesmal ist die öffentliche Meinung stärker: Mit Demonstrationen, Petitionen und den ersten Ostermärschen wird gegen deutsche Nuklearwaffen und den drohenden "Atomtod" allgemein protestiert. Denn das atomare Wettrüsten der Supermächte in Ost und West gefährdet weiterhin beide deutschen Staaten: Bei einer solchen militärischen Auseinandersetzung würden die BRD und die DDR wohl ausgelöscht.

Stand: 27.02.2015

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