Agatha Christie hat ein pragmatisches Verhältnis zu ihrer Arbeit: "Man soll sich nicht mit der Überzeugung an die Schreibmaschine setzen, ein gottbegnadetes Genie zu sein - das sind nur wenige. Nein, man ist Handwerker." Sie selbst ist eine Meisterin der Kriminalromane: Viele Verdächtige, manipulierte Alibis, verwegene Motive und überraschende Wendungen fesseln bis heute Leser und Zuschauer. Ihre Bücher erscheinen in immer neuen Auflagen, es werden Hörbücher, Fernsehserien, Filme und Computerspiele produziert.
Auch wenn Kritiker über Christies schlichte Sprache, den stereotypen Aufbau oder plüschigen Touch der Krimis nörgeln. Ihre Fans lieben gerade die nostalgische Atmosphäre und die vertraute Form ihrer Rätselspiele. "Christie ist es extrem gut gelungen, falsche Fährten einzubauen und die Leser immer wieder in die Irre zu führen. Das ist ein Grund ihrer ungewöhnlichen Popularität über einen so langen Zeitraum hinweg", sagt Jana Nittel, Dozentin für englischsprachige Literatur und Kulturgeschichte an der Universität Bremen.
Als Krankenschwester am Giftschrank
Geboren wird die Erfolgsautorin am 15. September 1890 im mondänen englischen Seebad Torquay. Der amerikanische Vater verfügt über ein stattliches Vermögen, was der Familie ein wohlhabendes Leben in einer Villa mit Park ermöglicht. Agatha geht nicht zur Schule, die britische Mutter unterrichtet die Tochter - allerdings ohne große Systematik. Dafür erzählt man Agatha viele Geschichten, sie liest sich früh durch die Bibliothek der Eltern. Auf die fehlende Schuldbildung führt Christie später einen Teil ihres Erfolgs zurück: "Es gibt nichts Besseres als Langeweile, um dich zum Schreiben zu kriegen."
Im Ersten Weltkrieg arbeitet Agatha Christie als Apothekenhelferin für das Rote Kreuz. Zwischen lauter Giftfläschchen kommt ihr die Idee zu einem Krimi. "Es war nur natürlich, dass ich einen Giftmord ins Auge fasste", erklärt Christie. Auch in ihren späteren Büchern werden die Opfer gerne mittels Strychnin, Arsen und Blausäure ins Reich der Toten befördert. Lösen muss die mysteriösen Morde fortan der belgische Detektiv Hercule Poirot, der die Schriftstellerin 1926 mit "The Murder of Roger Akroyd" berühmt macht. Nach der Trennung von ihrem ersten Mann entdeckt Christie 1928 ihre Begeisterung für den Orient. Sie heiratet den Archäologen Max Mallowan, den sie zu vielen Ausgrabungen begleitet. Ihre Bücher spielen jetzt oft an exotischen Schauplätzen: Poirot ermittelt im Orientexpress oder auf dem Nil.
Miss Marple und Hercule Poirot
Obwohl Christie sich noch eine Reihe anderer Detektive ausdenkt, bleibt der arrogante kleine Belgier der Star ihrer Spürnasentruppe. Er verschafft Christie finanziellen Wohlstand, doch sie verzweifelt oft an Poirot: "Manchmal habe ich gedacht, warum, warum, warum habe ich nur diese abscheuliche, bombastische, entnervende kleine Kreatur geschaffen?"1930 bekommt der Meisterschnüffler eine ernste Konkurrentin: Miss Marple, die in einem englischen Dorf lebt und sich leidenschaftlich für Verbrechen interessiert. Die etwas schrullige Dame avanciert zu einer der berühmtesten Figuren der Kriminalliteratur – nicht zuletzt durch die legendären Verfilmungen mit Margaret Rutherford.
Doch Christie hält Rutherford für eine Fehlbesetzung – obwohl sie ihr im Alter immer ähnlicher wird. Überhaupt ist die Autorin selten mit den Adaptionen ihrer Werke zufrieden. Sie beginnt, ihre Bücher selbst für die Bühne zu bearbeiten. Der Krimi "Die Mausefalle" wird seit 1952 im Londoner Westend gespielt und ist damit das am längsten ununterbrochen aufgeführte Theaterstück. Als Agatha Christie am 12. Januar 1976 mit 86 Jahren an einem Schlaganfall stirbt, erlöschen ihr zu Ehren in den Theatern im Londoner West End die Lichter.
Stand: 15.09.2015
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