Wie ein gestrandeter Wal liegt der Ayers Rock in der zentralaustralischen Wüste des Bundesterritoriums Northern Territory. Wenn die Sonne auf ihn trifft, beginnt er zu leuchten. Drei Kilometer ist der Inselberg lang, bis zu zwei Kilometer breit und 348 Meter hoch. Für die Touristen, die ihn täglich über die einzige Zufahrtsstraße besuchen, ist er das Wahrzeichen des Landes. Für die Aborigines aber ist er wegen seiner mythischen Bedeutung in der "Traumpfade"-Überlieferung als "Uluṟu" ein Heiligtum, das nicht betreten und nicht berührt werden darf.
"Wir haben eine starke spirituelle Verbindung mit dem Land", sagt Graham Calma vom Stamm der Anangu, der die Region um den Ayers Rock seit über 10.000 Jahren besiedelt, "und dieser Felsen ist das Zentrum unseres Glaubens. Er ist das Symbol unserer Kultur, zusammen mit der Natur, die ihn umgibt. Und jeder kann hier daran teilhaben."
Benannt nach einem weißen Präsidenten
1873 wird der Uluṟu auf einer Expedition von William Gosse als erstem Europäer entdeckt und nach dem südaustralischen Präsidenten Henry Ayers umbenannt. Weitere Expeditionen sollen erkunden, ob die Gegend landwirtschaftlich genutzt werden kann. 1920 müssen die am Ayers Rock lebenden Aborigines in ein Reservat. 1958 wird die Region zum Nationalpark erklärt. Da ist der Massentourismus längst angelaufen.
1976 spricht die australische Bundesregierung den Ureinwohnern im "Aboriginal Land Rights Act" das Recht auf Land im Northern Territory zu. Daraufhin machen die Anangu Besitzansprüche am Ayers Rock geltend, die ein Gericht schließlich bestätigt. Am 26. Oktober 1985 wird die heilige Kultstätte in einer feierlichen Zeremonie an die Aborigines zurückgegeben. Zuvor hatten sich die Anangu damit einverstanden erklärt, dass die 1.300 Quadratkilometer große Region um den Inselberg auf zunächst 99 Jahre als Nationalpark genutzt werden darf. Einen Teil der Eintrittsgelder erhalten die Anangu.
Warten auf den nächsten Zahltag
Seitdem pilgern Millionen von Touristen zu dem zerklüfteten Felsrücken. Allein 2014 waren es 400.000. Rund die Hälfte missachtet den Wunsch der Aborigines, ihr Heiligtum nicht zu betreten. Auch die Hoffnung der Anangu auf ein besseres Leben erfüllt sich nicht. Wenige finden ein Auskommen als Touristenführer. Viele bleiben verstrickt in einen hoffnungslosen Teufelskreis aus Alkohol und häuslicher Gewalt.
"Es sollte uns eigentlich besser gehen als vielen der Aborigines-Gemeinden, denn wir haben den Felsen vor der Haustür, der uns Geld bringt", sagt die Anangu Victoria Yanner. "Aber wir haben dieselben Probleme. Unsere Kinder gehen nicht zur Schule, und die meisten Erwachsenen bemühen sich nicht um Arbeit. Sie warten nur auf den nächsten Zahltag."
Stand: 26.10.2015
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