22. Juli 1969 - DDR-Flagge und -Hymne bei BRD-Sportveranstaltungen geduldet

Stand: 22.07.2019, 00:00 Uhr

Der Skispringer Helmut Recknagel aus der DDR steht 1958 vor tausenden Zuschauern auf dem Marktplatz in Oberstdorf. Soeben hat der Thüringer in Westdeutschland bei der Vierschanzentournee eine Goldmedaille gewonnen – da hört er die falsche Hymne. "Ich stand vorn auf dem Podest. Sie sagten: Helmut Recknagel aus Thüringen. Und dann kam mir zu Ehren das Deutschlandlied", erinnert sich Recknagel. Nicht die DDR-Hymne "Auferstanden aus Ruinen" erklingt, sondern "Einigkeit und Recht und Freiheit" aus dem Lied der Deutschen.

Die DDR-Funktionäre sind empört. "Ich habe von meiner Mannschaftsleitung ein Signal bekommen: runterkommen, Podest verlassen, das ist eine Provokation. Wir sind Deutsche, aber wir wollen unsere DDR-Hymne haben", erzählt Helmut Recknagel.

DDR-Hymne wird von BRD geduldet (am 22.07.1969) WDR 2 Stichtag 22.07.2019 04:14 Min. Verfügbar bis 19.07.2029 WDR 2

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Keine Noten für die DDR-Hymne

Die DDR-Mannschaft marschiert ein | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Bundesrepublik Deutschland beansprucht zunächst die Alleinvertretung für alle Deutschen, auch bei den Symbolen. Bei Sportveranstaltungen im Westen sind Flagge und Hymne der DDR nicht erwünscht. Die Sport-Organisatoren in Westdeutschland stecken im Dilemma.

"Mein Vater hat damals die Blasmusik geleitet", erinnert sich der Skispringer Max Bolkart. "Er kam aufgeregt zu mir: Stell dir vor, Helmut Recknagel aus der DDR hat das Skifliegen gewonnen. Ich habe gar keine Noten für die DDR-Hymne."

Also spielt er das Deutschlandlied an. "Und war nervös. Aber eine Hymne muss man ja spielen", sagt Max Bolkart. Der Bürgermeister der Stadt Oberstdorf entschuldigt sich schnell und entschärft so den Eklat.

50 Beamte reißen die DDR-Fahne herunter

Doch der Konflikt bleibt weiterhin ungelöst und spitzt sich weiter zu, als ab 1968 zwei deutsche Olympia-Mannschaften anreisen, anstatt wie bisher eine.

Als die DDR-Turnerinnen im März 1969 in Mainz antreten, kommt es schließlich zu einem Großeinsatz der Polizei. Der DDR-Innenminister Friedrich Dickel (SED) beschwert sich bei seinem westdeutschen Amtskollegen Ernst Benda (CDU): "Unter dem Einsatz eines 50-köpfigen Polizeiaufgebotes rissen Beamte der Politischen Polizei gewaltsam die Staatsflagge der Deutschen Demokratischen Republik herab, die vom Veranstalter in Übereinstimmung mit den allgemein üblichen Regeln und Gepflogenheiten gehisst worden war."

Den Verantwortlichen im Westen wird klar: Ein Polizeieinsatz gegen die Fahne von Gästen gibt keine guten Bilder ab. Am 22. Juli 1969 beschließt das Bundeskabinett, dass es fortan keine Einsätze mehr gegen Hymne und Flagge der DDR geben soll.

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