Nadja Tiller war völlig ahnungslos. "Wir wurden gestern angerufen, dass wir unbedingt herkommen möchten", sagt die Schauspielerin und Ehefrau Walter Gillers 1960 in einem Interview. "Und wir wollten eigentlich gar nicht, weil Walter sehr erkältet ist und ich in sehr anstrengenden Dreharbeiten bin. Und dann redete man uns aber so wahnsinnig zu, dass wir nicht widerstehen konnten. Und wie wir hier ankamen, merkten wir an der Platzordnung, dass wir scheinbar auch… ja, ich hatte wirklich keine Ahnung."
Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 1960 erhalten Nadja Tiller und Walter Giller als beste Schauspieler je ein Filmband in Silber. Auch Bernhard Wicki wird für seinen Antikriegsfilm "Die Brücke" geehrt. Da hat die Auszeichnung bereits ein solches Renommee, dass sich zwei der beliebtesten Schauspieler Deutschlands trotz Krankheit und Stress zur Verleihung schleppen. Zehn Jahre zuvor ist das noch nicht unbedingt abzusehen.
Signal der freien Welt
Zum ersten Mal verliehen wird der Deutsche Filmpreis am 27. Mai 1951 während der ersten Filmberlinale. Das Bundesinnenministerium will damit besonders wertvolle Filme aus der Heimat ehren – und ein politisches Signal setzen. "Wir müssen dem Osten zeigen, wie in der freien Welt Filme gemacht werden", sagt Kultursenator Tiburtius während der Feierlichkeit. "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner und Regisseur Josef von Baky sahnt gleich drei Auszeichnungen ab, Kästner nimmt seinen Preis fürs Drehbuch persönlich entgegen. Der Rahmen inmitten der fünfstündigen Veranstaltung ist festlich, die Berliner Philharmoniker unter Karl Böhm geben das entsprechende Flair, was aber eher dem Zufall geschuldet ist: Erst kurz vor Beginn der Veranstaltung wird den Organisatoren mitgeteilt, dass die Filmpreise während der Eröffnungsveranstaltung zur Berlinale vergeben werden sollen.
Anfangs gibt es nur goldene Schalen, Leuchter und Pokale . Das ändert sich erst 1956: Jetzt fließt auch Geld. Der Hauptpreisträger bekommt 200.000 D-Mark – verbunden mit der Forderung des Bundesinnenministers, das Geld wieder in einen neuen, anspruchsvollen Film zu stecken. Was "Anspruch" allerdings bedeutet, darüber scheiden sich zunehmend die Geister. Auf den Oberhausener Filmtagen 1962 kritisieren die Autoren des Neuen Deutschen Films um Alexander Kluge und Edgar Reitz, dass der Staat "die zahmen, braven, politisch und gesellschaftlich folgsamen Filme bevorzugt" – womit die Vergabe der Preisträger "der Verteilung von Bestechungsgeldern gleichkommt."
Fast drei Millionen Euro Preisgeld
Die Kritik fällt auf fruchtbaren Boden. Mit dem 1965 gegründeten "Kuratorium junger deutscher Film" fördert die Bundesregierung fortan auch den Nachwuchs: 1968 erhält der damals als frech eingestufte Kinofilm "Zur Sache Schätzchen" für seine Dialoge den Deutschen Filmpreis in Gold. International braucht es aber noch bis weit in die 1970er Jahre hinein, um auch das Ausland von der durch die Auszeichnung gepuschten Qualität des bundesrepublikanischen Kinos aufmerksam zu machen. Seitdem kommen immer wieder auch Palmen, Löwen und Oscars zu den goldenen und silbernen Filmbändern hinzu.
Heute heißt der Deutsche Filmpreis "Lola". Er wird in fast 20 Kategorien vergeben. Mit fast drei Millionen Euro Preisgeld ist er die höchstdotierte Kulturauszeichnung Deutschlands.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. Mai 2016 ebenfalls an die Verleihung des ersten Deutschen Filmpreises. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.