Zur englischen Weihnacht gehören heute so deftige Speisen wie gefüllter Truthahn und Plum-Pudding. Doch es geht noch opulenter: Im England des 17. Jahrhunderts finden Orgien statt, die am ersten Weihnachtstag beginnen und bis zum Dreikönigstag dauern.
Die "Twelve Days of Christmas" haben ihre eigenen Höhepunkte. "Da gab es den Neujahrstag und dann den Vorabend des 6. Januars, die Twelfth Night", erklärt Miriam Edlich-Muth, Anglistin an der Universität Düsseldorf. "Es wurde gesungen und getanzt, es gab Aufführungen und Verkleidungsbälle."
Wie Karneval
Englands Weihnacht im 17. Jahrhundert sei mit dem Rheinischen Karneval vergleichbar, so Juniorprofessorin Edlich-Muth. "In London gab es Szenen, die als nicht besonders fromm einzuordnen wären!"
Doch dagegen formiert sich Widerstand - als Folge der Reformation. Der Hintergrund: Die Reformation in England hat eher privaten Charakter. König Heinrich VIII. will möglichst viele Frauen heiraten, ohne sich vom Papst dabei stören zu lassen. Deshalb gründet er die Anglikanische Kirche.
Puritaner in Rage
Die anglikanischen Gottesdienste ähneln allerdings den katholischen - was die radikale calvinistische Gruppe der Puritaner in Rage bringt. "Die hatten sich eigentlich vorgenommen, den Katholizismus auszumerzen", sagt Edlich-Muth.
Mehr noch: Sie bekämpfen ab 1640 die Monarchie. Denn König Charles I. will ohne Parlament regieren. Das führt zum Bürgerkrieg. Der Puritaner-Anführer Oliver Cromwell gewinnt und lässt Charles I. köpfen.
Gewaltsame Unruhen
Parallel dazu läuft der Streit um Weihnachten. Das Puritaner dominierte Parlament ordnet 1640 einen strikten Fastentag an: kein Essen - jeden Mittwoch. Dass die Bevölkerung sich nicht daran hält, gefällt den Abgeordneten nicht.
Als 1644 der Weihnachtstag, der 25. Dezember, auf einen Mittwoch fällt, kommen sie im Parlament zusammen und fasten. Zudem verbieten sie alles, was mit Weihnachtsfeiern zusammenhängt: Handel, Völlerei, Bälle, Musik. Gegen die Regelung gibt es immer wieder Proteste. Teilweise kommt es zu gewaltsamen Unruhen.
"The Merry Monarch"
Erst mit der Wiederherstellung der im Bürgerkrieg abgeschafften Monarchie gibt es auch wieder Weihnachtsfeste: Nach dem Tod von Cromwell ernennt das Parlament 1660 Charles II. zum König, der als "The Merry Monarch" ("der feierfröhliche Monarch") gilt.
Seither ist Weihnachten auch auf den britischen Inseln unumstritten. Es werden "Christmas Carols" gesungen - und der traditionelle Schinken wird manchmal auch in Cola gekocht.
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