Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach ist arm in der Mitte des 18. Jahrhunderts. "Und wie kann ein armer Herzog zu Wohlstand gelangen? Da gibt es nur ein Rezept: Heirate eine reiche Frau!", sagt Annette Seemann, Autorin mehrerer Bücher über die Weimarer Stadtgeschichte.
Ernst August II. heiratet 1756 also die Herzogin Anna Amalia von Braunschweig-Wolfenbüttel. Sie ist eine von mehreren Frauen, die den Mythos der Stadt Weimar begründen. Erstmals urkundlich erwähnt wird Weimar im Jahr 899.
"Sie hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Weimar um 1800 mit nur rund 6.000 Einwohnern zum kulturellen Zentrum Deutschlands wurde", erklärt Stadtführerin Renate Ragwitz. Anna Amalia ist es auch, die im sogenannten Grünen Schlösschen eine Bibliothek im Rokokostil bauen lässt, bis heute einer der schönsten Bibliothekssäle Deutschlands.
Auch ihre Untertanen dürfen die Bibliothek nutzen. "An zwei Tagen in der Woche wurde die Bibliothek geöffnet, nämlich an den Markttagen. Auch die Menschen aus der Umgebung sollten an der Bildung teilhaben und sich Bücher ausleihen können" sagt Annette Seemann.
Popstar am Weimarer Hof
Mit Anna Amalias Segen gelangt im Jahr 1775 ein Bürgerlicher nach Weimar, der weiter am Mythos arbeitet: Johann Wolfgang Goethe, ein aufstrebender Schriftsteller aus Frankfurt. Anna Amalias Sohn Carl August lädt ihn in die beschauliche Residenz am Flüsschen Ilm ein. "Sich solche begabten Leute an den Hof zu holen, war zu dieser Zeit in Mode gekommen", erklärt Annette Seemann.
Goethe zieht in sein eigenes Häuschen im Park an der Ilm, wird Minister – und macht raufend, saufend und peitschenknallend das Weimarer Land unsicher. "Goethe am Hof – das ist, als wenn man heute einen Popstar in die Regierung holen würde", sagt Seemann.
Humanität und Barbarei
Ab 1804 arbeitet eine weitere Frau am Ruf von Weimar als Gelehrtenrepublik: die russische Zarentochter Maria Pawlowna, Ehefrau des Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach.
Wie Anna Amalia fördert sie die Künste am Weimarer Hof. 1842 holt sie den Komponisten Franz Liszt als Hofkapellmeister. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sich auch sein Freund Richard Wagner in Weimar niedergelassen – und hier statt in Bayreuth sein Festspielhaus gebaut. Doch das Geld fehlt.
Zur Geschichte Weimars gehört allerdings auch Buchenwald, ein Konzentrationslager, dass die Nationalsozialisten 1937 errichten. "Weimar ist wie ein Geschichtslaboratorium: Der Ort der Humanität liegt in unmittelbarer Nähe zum Ort der Barbarei", sagt Annette Seemann.
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