"Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund / Ich schrie mir schon die Lungen wund / nach deinem weißen Leib, du Weib." Klaus Kinskis sinnlich-diabolische Interpretation dieses Gedichts machte François Villon in den 1950er Jahren auch in Deutschland bekannt.
Dabei stammt es gar nicht von Frankreichs wohl bedeutendstem Lyriker des Spätmittelalters, sondern von seinem Wiederentdecker, dem Expressionisten Paul Zech, enthalten in dessen Buch "Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon" (1930). Die teils dralle Erotik und der mit Gaunerjargon durchdrungene Stil des Franzosen sind hier perfekt imitiert.
Mord und Gnade
Über das Leben Villons ist nur wenig bekannt. Viele Informationen zur Biografie entstammen seinem Hauptwerk "Das große Testament" (1461/62) und könnten damit Fiktion sein; der Rest speist sich aus zwei Urkunden und Einträgen in Universitätslisten, die ihm allerdings auch nicht zweifelsfrei zugeordnet werden können. Demnach wird Villon 1431 in Paris unter so ärmlichen Verhältnissen geboren, dass seine Mutter ihn in die Hände eines Priesters und Gelehrten namens Guillaume Villon gibt.
Der barmherzige Pater lässt Villon studieren, vermutlich 1449 macht er seinen Magister. Ein weiteres Studium bricht Villon offenbar ab, gerät auf die schiefe Bahn, stößt zu einer Gaunerbande und ist 1455 in eine Messerstecherei verwickelt, bei der ein Priester stirbt. Er flieht aus Paris, kehrt aber zurück, als König Charles VII. ihn 1456 begnadigt. Ab 1463 verliert sich seine Spur endgültig.
"Vom Winde verweht"
Die wenigen Fakten und das einzigartige, aus rund 25 Balladen und Gedichten bestehende Werk des François Villon, das nur aus posthum gedruckten Ausgaben bekannt ist, tragen maßgeblich zur Legendenbildung bei. Im Zuge der Romantik wird er im 19. Jahrhundert vor allem im angelsächsischen Raum von Dichtern wie Algernon Charles Swinburne, William Butler Yeats und Ezra Pound, der eine Oper mit Villons Gedichten schreibt, wiederentdeckt. Claude Debussy vertont seine Gedichte.
"Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm" – die Zeile aus der "Dreigroschenoper" stammt nicht von Bertolt Brecht, sondern von Villon. Eine entsprechende Urheberrechtsfrage soll einem österreichischen Übersetzer genug Geld für einen Weingarten eingebracht haben, dessen Ertrag er "Dreigroschenwein" nennt. Redewendungen wie "Vom Winde verweht" oder "Schnee von gestern" stammen alle von Villon.
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