Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wollen die USA noch neutral bleiben. Dennoch beliefern sie die Alliierten mit kriegswichtigen Gütern. Die Deutschen entsenden daraufhin Propagandisten in die USA. Schon im Oktober 1914 eröffnen sie am New Yorker Broadway ein angeblich unabhängiges Pressebüro.
Es werden Veranstaltungen organisiert, eine Filmfirma gegründet. Millionen werden ausgegeben, um ein positives Bild vom Kaiserreich zu vermitteln. Das Ziel: Den Kriegseintritt der USA verhindern.
Unter falschem Namen
Dafür landet auch der Offizier und Diplomat Franz von Rintelen im Auftrag des Admiralstabs des Deutschen Reichs im April 1915 in New York - angeblich als Schweizer Bürger Emil Gasché. Er soll den Transport von Material nach Europa verhindern.
Über den 1878 in Frankfurt an der Oder geborenen von Rintelen ist aus unabhängigen Quellen nicht viel bekannt. Sein Vater soll Bankdirektor gewesen sein. Er spricht fließend englisch, zwei Jahre hat er in London gelebt und im Bankgewerbe gearbeitet.
"Zigarren" explodieren
Rintelen schart schnell eine Gruppe von Saboteuren um sich. Unter ihnen ist auch ein deutsch-amerikanischer Chemiker. Dessen Erfindung nennt Rintelen "Zigarre": eine Art Brandbombe in Stiftgröße.
Solche "Zigarren" werden an Bord von gegnerischen Schiffen platziert. Glaubt man Rintelens eigenen Aussagen, werden so viele Schiffe versenkt - immer auf hoher See und ohne Tote.
Sechs Jahre Haft
Rintelen plant auch Streiks von Arbeitern in Munitionsfabriken und Häfen. Er will die Revolution in Mexiko unterstützen, um so das US-Militär zu beschäftigen. Doch nach vier Monaten ist Schluss mit seiner Agententätigkeit.
Wegen Streitigkeiten mit seinem Vorgesetzten, dem Militärattaché Franz von Papen, wird er nach Berlin zurückbeordert. Doch auf dem Weg dorthin verhaften die Engländer von Rintelen und liefern ihn an die USA aus. Erst 1921 kehrt er nach Berlin zurück.
"Capitain von Rintelen"
Zunächst wird von Rintelen mit dem Eisernen Kreuz geehrt. Aber als er seine Sabotageakte öffentlich machen will, fällt er in Ungnade. Noch 1921 geht von Rintelen nach Großbritannien, wo er sich als "Captain von Rintelen" einen Namen macht.
Er schreibt, hält Vorträge und befreundet sich mit seinem früheren Gegner Sir Reginald Hall, dem Chef des Abwehrdienstes der britischen Marine. Im Zweiten Weltkrieg versucht von Rintelen mehrfach, die britische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Er will sogar für die Alliierten kämpfen, wird aber interniert. Er stirbt am 30. Mai 1949 in London.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Mai 2019 ebenfalls an Franz von Rintelen. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 31.05.2019: Vor 160 Jahren: Big Ben ertönt mit Westminsterschlag erstmals vom Uhrturm.