"Billie Holiday ist eine Sängerin, die den Mund aufmacht und es kommt Gold heraus", sagt Jeff Cascaro, Professor für Jazzgesang an der Musikhochschule Weimar. Und Jazzsängerin Cassandra Wilson sagt über Billie Holiday: "Sie ist eine Rebellin, sie ist frei, ein unbekanntes Terrain, eine wilde, schwarze Frau, die singt."
Kindheit im Bordell
Musik ist für Billie Holiday Überlebensmittel und Rettungsanker. 1915 kommt sie in Philadelphia als uneheliches Kind zur Welt. Später verkauft sie sich in New York an Männer. Da singt sie längst, die Musik ist ihr Ausweg aus dem Bordell.
Die schöne Frau mit der dunklen Haut und der weißen Gardenie im Haar tritt in New Yorker Clubs auf und beeindruckt schnell durch ihr Improvisationstalent. 1933 steht sie an der Seite des Bandleaders Benny Goodman auf der Bühne, 1935 mit Duke Ellington, später mit Count Basie und Louis Armstrong. Sie wird ein Star.
"Man hört ihr zu und entweder mag man es, oder man findet es ein bisschen befremdlich, was aber einen großen Interpreten immer ausmacht", sagt Jeff Cascaro.
Holiday darf nicht in Restaurants essen
Sie ist erst 24 Jahre alt, als sie 1939 zum ersten Mal den Song "Strange Fruit" singt, ein Lied über Lynchjustiz und Rassendiskriminierung. Letztere erlebt die schwarze Sängerin tagtäglich. "Wenn man damals mit einer Band tourte, fuhr man in viele abgelegene Orte. Sie konnte dort nicht im Restaurant essen", erklärt der Jazzkritiker Dan Morgenstern. "Und dann kam der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Als sie in New York in einem Hotel auftrat, sagte man ihr, dass sie den Lastenaufzug nehmen sollte."
Billie Holiday beschließt, nie mehr mit einer rein weißen Band aufzutreten. Den Song "Strange Fruit" singt sie immer weiter, obwohl sie dafür von den Behörden verfolgt und mit ihrer Drogensucht an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Seit den 40er-Jahren spritzt sie sich Heroin. 1947 kommt sie wegen Drogenbesitzes für rund ein Jahr ins Gefängnis.
Führende Figur der Bürgerrechtsbewegung
Das ausverkaufte Konzert nach ihrer Entlassung in der Carnegie Hall wird zu einem Triumph. Doch Billie Holiday ist nun vorbestraft, darf in Lokalen mit Alkoholausschank nicht mehr auftreten, ihre Einnahmen sinken dramatisch. 1959 bricht sie zusammen und stirbt am 17. Juli im Krankenhaus – umringt von Polizisten, die sie festnehmen wollen.
Ihre Biographin Julia Blackburn sagt: "Sie hat durch das Singen des Liedes Strange Fruit mehr für die Bürgerrechte getan als viele andere zu dieser Zeit und danach."
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