"Eine ganz deutliche Erinnerung habe ich noch, als Gandhi am 30. Januar 1948 erschossen wurde: Ich war damals 15 Jahre alt. Es war ein Schock für mich", sagt Dietmar Rothermund, später Professor für Südasiengeschichte an der Universität Heidelberg.
Nur wenige Monate zuvor hatte Gandhi, ein zierlicher Mann, kahl rasiert, mit einer runden Nickelbrille, die Unabhängigkeit Indiens vom Britischen Kolonialreich erkämpft. Bei der entscheidenden Asienkonferenz 1947 war er nur bekleidet mit einem Lendenschurz aus indischer Baumwolle aufgetreten.
Alle Umfragen zu den großen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts nennen Mahatma Gandhi – neben Nelson Mandela, dem Dalai Lama, Michail Gorbatschow, Albert Schweitzer, Mutter Teresa, Martin Luther King und Lech Walesa.
"Und das sind alles Schüler von Gandhi! Die sich selbst als Schüler von Gandhi bezeichnet haben!", sagt Peter Rühe von der Stiftung GandhiServe in Berlin.
Gandhi erlebt in Südafrika grauenhafte Gewalt
Am 2. Oktober 1869 wird Mohandas Karamchand Gandhi in der westindischen Küstenstadt Porbandar geboren. "Ich war meist sehr scheu und mied alle Gesellschaft", erzählt er einmal. Nichts deutet darauf hin, dass aus dem schüchternen Jungen einmal der berühmteste Sohn Indiens wird. Schon zu Lebzeiten erhält er den Ehrennamen Mahatma – die große Seele.
Auf Wunsch der Familie studiert er in England Jura und einer seiner ersten Fälle führt ihn nach Südafrika. "Das war für ihn enorm prägend", sagt Dietmar Rothermund. Gandhi erlebt dort 1906 den Zulu-Aufstand, wird Zeuge grauenhafter Gewalt, als die Weißen die Schwarzen regelrecht abschlachten. "Das hat ihn aus seinem bürgerlichen Leben herausgerissen. Und er hat gesagt: Jetzt widme ich mich der Arbeit gegen die Gewalt", sagt Rothermund.
Gandhi fordert das Ende der Kolonialherrschaft
21 Jahre lebt Gandhi in Südafrika. Erst 1915 kehrt er nach Indien zurück und formuliert seine politischen Ziele: "Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft. Einheit von Hindus und Muslimen. Bildung für Millionen Bauern. Boykott der britischen Wirtschaft".
Rastlos reist er von Dorf zu Dorf und wirbt für seine Ideen. "Seine Taktik war immer: Man suche sich ein ungerechtes Gesetz und übertrete es gezielt", erklärt Dietmar Rothermund.
Im August 1947 werden Indien und Pakistan tatsächlich in die Unabhängigkeit entlassen. Fünf Monate später wird Gandhi von einem Hindu-Nationalisten erschossen. "Auge um Auge, und die ganze Welt wird blind sein", hatte Gandhi gepredigt – und wird doch selbst Opfer von Hass und Gewalt.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. Oktober 2019 ebenfalls an Mahatma Gandhi. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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