Auf einer Party im Januar 2005 ärgern sich die Studenten Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim, dass sie ihre Handyvideos nicht problemlos ins Netz stellen können. Daraufhin entwickeln sie ihr eigenes Online-Videoportal und nennen es YouTube. "Zum Glück waren wir ziemlich naiv und hatten keine Erfahrungen mit Videos. Deswegen hatten wir keine Angst davor, eine Videoplattform zu erschaffen. Was die Menschen davon abhält, eine Idee zu verwirklichen, ist die Annahme darüber, wie schwer es ist oder wie teuer es wird – wir haben einfach angefangen", erinnert sich Chad Hurley.
Drei Monate später stellt Jawed Karim das erste Video online. 18 Sekunden lang bewundert er die Rüssel der Elefanten im Zoo von San Diego und meint am Schluss: "Und mehr gibt es nicht zu sagen."
YouTube nimmt Urheberrecht nicht so ernst wie Google
Schon bald ist YouTube die wichtigste Videoplattform im Netz – weit vor Google Video, dem Dienst der Mega-Suchmaschine. Songs und Musikvideos sind hier kostenlos zu sehen und hören. "YouTube hatte im Gegensatz zu Google Video einen kleinen Wettbewerbsvorteil, denn bei YouTube hat man das Thema Urheberrecht nicht ganz so ernst genommen wie bei Google", sagt Lars Reppesgaard, Autor des Buches "Das Google-Imperium".
YouTubes rasanter Erfolg bedeutet für die Entwickler dagegen beinahe den finanziellen Ruin. "Als wir uns immer mehr in das Projekt gestürzt haben und die Dinge gewachsen sind, haben wir erst herausgefunden, wie kostenintensiv unser System geworden ist", erinnert sich Chad Hurley.
Die drei jungen Männer bezahlen den Speicherplatz der Videoclips mit ihren Kreditkarten - und deren Limit ist schnell gesprengt. Ein Risikokapitalgeber muss einspringen. Ein Video zweier Jungen, die sich beim Playback-Singen zu den Backstreet Boys filmen, überzeugt die damalige Google-Video-Chefin und heutige YouTube-Geschäftsführerin Susan Wojcicki: Sie will YouTube kaufen.
YouTube ist die Videothek des realen Lebens
Das entscheidende Treffen findet in einem Ketten-Restaurant statt: Bei Rührei und Speck verhandeln Hurley und Chen direkt mit Google-Chef Eric Schmidt und Firmengründer Larry Page. Und obwohl es um Milliarden geht, bleiben die Jungunternehmer entspannt und bitten sich sogar zwei Tage Bedenkzeit aus.
Am 9. Oktober 2006 gibt Google schließlich die Übernahme von YouTube für 1,65 Milliarden Dollar bekannt. Für eine kleine Firma ohne großen Umsatz hat Google einen hohen Preis bezahlt. "Das ist das Prinzip des Google-Erfolges: Wir investieren und damit begeistern wir Nutzer. Und wenn wir erstmal diese Begeisterung für einen Dienst haben, dann finden wir immer einen Weg, wie wir darum herum auch ein Geschäftsmodell aufbauen können", sagt der Google-Experte Lars Reppesgaard.
Mittlerweile steuert YouTube schätzungsweise zehn Prozent zu den Google-Einnahmen bei. Das Videoportal ist in den vergangenen Jahren zum Ort für eine ganz neue Art der Unterhaltung geworden. Reporter Florian Güßgen beschreibt das im Magazin "Stern" so: "Wenn Netflix das exklusive Loft im Obergeschoss des Fernsehens ist, die öffentlich-rechtlichen Sender das Zwischengeschoss mit Bohnerwachs und Spießigkeit, dann ist YouTube eine Mischung aus Kinderladen und Absturzkneipe im Souterrain: laut, chaotisch, ehrlich. Die Videothek des realen Lebens."
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