Erich Goßmanns Scholle liegt im Gartenverein "Hansa" im Dortmunder Norden. Er sitzt auf seiner überdachten Veranda, umgeben von duftenden Rosen, Apfelbäumen, Buchsbäumen und Hochbeeten voller Gemüse. "Ich bin, sobald ich eine freie Minute habe, hier im Garten. Ich verbringe zwei Drittel meiner Zeit hier", sagt er, der auch der Vorsitzende des Gartenvereins ist.
Und Wilhelm Spieß, Vorsitzender des Landesverbandes der Kleingärtner in Westfalen-Lippe, ergänzt: "Das sind Oasen in der Stadt, geschützte Lebensräume: Die ökologische Vielfalt in Kleingartenanlagen ist enorm."
Kleingärten sollen Menschen in den Städten ernähren
Doch es herrschen strenge Regeln. Ein Drittel der Parzellenfläche muss ein Nutzgarten mit Obst- und Gemüseanbau sein. Die kleinen Gärten sollten ursprünglich die Menschen in den Städten ernähren – auch während der beiden Weltkriege. "Damals waren sie kein Hobby, sondern notwendiger Lebensunterhalt", sagt Wilhelm Spieß.
Vor 200 Jahren entstehen die ersten gemeinschaftlichen Gärten in Kappeln an der Schlei in Schleswig-Holstein. Ein Pfarrer gibt ärmeren Menschen Land für die Selbstversorgung. Aus dieser Idee entwickeln sich die Hauptstränge des Kleingartenwesens - zum Beispiel die Arbeitergärten des Deutschen Roten Kreuzes, die Schrebergartenbewegung in Leipzig, der Laubenpieperstrang in Berlin und die Arbeiter- und Industriegärten im Ruhrgebiet. Auch die Deutsche Bahn vergibt Flächen für Kleingärten.
Am 31. Juli 1919 wird die Kleingarten- und Kleinpachtlandverordnung erlassen: Sie gibt Schrebergärtnern Rechtssicherheit, schützt sie etwa vor zu hohen Pachtpreisen. In der Dortmunder Gartenanlage "Hansa" kostet eine der 88 Parzellen rund 250 Euro im Jahr.
Das Gespräch über den Gartenzaun
Und wo so viele Menschen auf kleinstem Raum gärtnern, kärchern und Laub saugen, braucht es Vorschriften. Das Bundeskleingartengesetz von 1983 regelt alles – auch, dass eine Laube maximal eine Größe von 24 Quadratmetern haben darf – einschließlich überdachtem Freisitz. "Damit soll verhindert werden, dass die Anlagen dauerhaft bewohnt werden", erklärt Wilhelm Spieß.
Und Hecken dürfen maximal 80 Zentimeter hoch sein, das fördert den Kontakt untereinander. Ralf Leue, der ebenfalls eine Scholle im Gartenverein "Hansa" bewirtschaftet, sagt: "Das Gespräch über den Zaun ist im Schrebergarten noch vorhanden."
Auch nach über zweihundert Jahren ist das gemeinschaftliche Gärtnern nicht aus der Mode gekommen: Mehr als eine Million Kleingärten gibt es in Deutschland. "Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen: Das beginnt mit der Ehe und hört im Garten auf", sagt Wilhelm Spieß.
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