In einem Leichenwagen fährt Neil Young 1965 die amerikanische Westküste hinunter. Als Folksänger hat der 20-Jährige bereits auf diversen Bühnen in und um Toronto gestanden. Nun zieht es ihn nach Los Angeles, dem Treffpunkt der Hippie-Musikerszene. Tatsächlich findet er hier jede Menge Gleichgesinnte: Gitarristen, Bassisten und Schlagzeuger, die mit ihm vom Marihuana umnebelt bis zum Morgengrauen neue Songs kreieren.
"Das war wahrscheinlich die beste Zeit, in der man leben konnte", erinnert sich Young später und schwärmt in seiner Biografie "Ein Hippie-Traum" von dem Zusammenhalt unter den Musikern. "Mein Leben lang habe ich versucht, von dieser Kultur so viel wie möglich herüberzuretten", sagt Young. Und so geht es in seinen Liedern bis heute um Liebe und Krieg, um Umweltzerstörung und Machtmissbrauch.
Auf der Suche nach dem goldenen Herz
Der Mann, der die Jugend im Namen trägt, wird am 12. November 1945 als Sohn eines Sportjournalisten in der kanadischen Provinz Toronto geboren. Mit sechs Jahren erkrankt er an Kinderlähmung, mit 20 Jahren plagen ihn epileptische Anfälle. Trotzdem macht er sich vom "Love and Peace-Gedanken" beseelt auf nach Kalifornien. Dort gründet Young mit dem Songwriter Stephen Stills die Band "Buffalo Springfield". Mit ihrer zweiten Single landen sie den Hit "For what it's worth". Doch der eigensinnige Young verlässt nach drei Alben und viel Streit die Gruppe.
Er nimmt sein erstes Solo-Album auf, steigt dann bei Crosby, Stills und Nash ein. Mit ihnen erlebt er die Festivals in Woodstock und Altamont. Dann bröckelt der Traum. "Aus Love and Peace wurde Hass und Gewalt", sagt Young rückblickend. Die ersten Freunde sterben an Drogen, seine Musikerbekanntschaft Charles Manson entpuppt sich als Irrer, der Menschen ermordet. Young flüchtet aufs Land und produziert 1972 sein bis heute am meisten verkauftes Album "Harvest" mit dem Nummer-eins-Hit "Heart of Gold".
Eigenwilliger Bühnenstar
Young will auf keinen Fall Schmuserocker sein und so wechselt er nach dem großen Erfolg wieder einmal seinen musikalischen Kurs: Country, Folk, Rockabilly, Rückkopplungen. Young experimentiert mit Tönen, mixt sämtliche Stile. "Ich versuche aus dem, was ich denke, ein Gefühl zu holen. Dafür ist mal diese und dann wieder jene Musikrichtung besser geeignet", so Young. Nicht immer gefallen Fans und Kritiker die Kompositionen. Sein erste Grunge-CD schicken Radiosender zurück, weil sie glauben, dass der Tonträger gestört ist. "Wir riefen zurück und sagten, genau das ist es: gestört", sagt Young. Mit seinen Grunge-Tönen beeinflusst er Bands wie Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden.
Dabei ist der Young der kommerzielle Erfolg weitgehend egal. Seine Plattenfirma David Geffen verklagt ihn 1989 wegen "unkommerzieller Musik" auf drei Millionen Dollar Schadenersatz. Die Klage verpufft, Young wechselt das Label und produziert weiterhin, wonach ihm gerade ist. Auch seine Fans wissen nie, was sie erwartet, wenn der Altrocker auf die Bühne tritt. Die nostalgischen Bedürfnisse seiner Anhänger interessieren ihn nicht. "Ich versuche, genau das Gegenteil zu machen: Je mehr das Publikum sich alte Songs wünscht, desto weniger alte Songs spiele ich", sagt Young eigensinnig wie immer.
Stand: 12.11.2015
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