Flughafen Köln-Bonn, 4. September 1962, 11 Uhr: Auf die Minute pünktlich verlässt der französische Präsident Charles de Gaulle die Sondermaschine. Nach 21 Salutschüssen wird er bei seinem ersten Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland von Bundespräsident Heinrich Lübke begrüßt. Es ist ein historischer Augenblick: Zwei frühere Feinde reichen sich die Hand, beide hatten als Leutnante im Ersten Weltkrieg gedient.
De Gaulle verbindet mit dem Händedruck eine Absicht. Gegen die kommunistische Bedrohung aus dem Osten will er ein europäisches Bollwerk errichten. Frankreich soll das Kommando führen, die Bundesrepublik der Juniorpartner sein. Der NATO vertraut de Gaulle nicht, auch die Achse Washington-Bonn beäugt er mit Argwohn.
Französische Charmeoffensive
Bereits drei Monate zuvor hat de Gaulle mit Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) in der Kathedrale vom Reims Versöhnung gefeiert. Dort hatte 1945 Generaloberst Alfred Jodl die Kapitulationsurkunde Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg unterzeichnet.
De Gaulle weiß allerdings auch, dass Adenauers Politik der Westbindung in der Bundesrepublik umstritten ist. Darum startet der Franzose während seiner Reise durch die Bundesrepublik eine Charmeoffensive. Er lobt "Düsseldorf, diese schöne, große, fleißige Stadt". Er schmeichelt "München, dieser liebenswerten und prachtvollen Hauptstadt". Er beglückwünscht junge Leuten in Ludwigsburg, "junge Deutsche zu sein, Kinder eines großen Volkes, jawohl, eines großen Volkes!"
Freundschaft in Vertragsform
De Gaulles Herzlichkeit zahlt sich aus. Wo er auftaucht, herrscht Volksfest-Stimmung. De Gaulle nutzt die Atmosphäre und macht während seiner Reise den Vorschlag, die guten Beziehungen vertraglich zu zementieren. Als de Gaulle nach sechs Tagen die Bundesrepublik verlässt, ist der 71-Jährige müde und heiser - aber glücklich, sagt er zum Abschied.
Gut vier Monate später unterschreiben Adenauer und de Gaulle im Élysée-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag. Halbjährliche Regierungstreffen sind seither die Regel. Die einstigen Erbfeinde konsultieren sich in allen wichtigen Fragen von Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Kulturpolitik.
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