1829 sterben in London an einem Tag ein Ägyptologe, ein Physiker, ein Mediziner, ein Augenarzt und ein Linguist - obwohl nur ein Mensch stirbt. Denn Thomas Young vereint fünf Wissenschaften in seiner Person. Selbst seinen Kollegen erscheint Young wegen seines interdisziplinären Forscherdrangs als Phänomen.
In der Westminster Abbey ist noch heute eine Gedenktafel für ihn angebracht. Ein Mondkrater ist nach ihm benannt. Und das britische Institute of Physics vergibt ihm zu Ehren die Young-Medaille.
Licht ist eine Welle!
Geboren wird Young als Spross einer Quäker-Familie 1773 in Milverton, einem Ort in der Grafschaft Somersetshire im Südwesten Englands. Schon als Kind spricht er mehrere Sprachen. 1794 wird er wegen seiner Studien zum menschlichen Auge Fellow der Royal Society, zwei Jahre später promoviert er in Göttingen in Medizin. Von 1801 bis 1804 ist er Professor für Physik am Londoner Royal Institute, 1822 wird er in die American Academy of Arts and Sciences berufen.
1802 macht Young ein simples, aber bahnbrechendes Experiment. Er bohrt ein kleines Loch in einen Fensterladen, überdeckt es mit einem Stück Papier und sticht mit einer Nadel hindurch. "Ich benutzte einen Spiegel, um den dünnen Lichtstrahl umzuleiten, der durch das Loch kam", wird er sich erinnern. "Ich nahm eine Spielkarte und hielt sie in den Weg des Lichtstrahls, so dass dieser zweigeteilt wurde. Dann beobachtete ich den Schatten." Durch Youngs so genanntes Doppelspaltexperiment, das später für die Quantenmechanik maßgeblich ist, wird klar, dass Licht den Charakter einer Welle hat. Ein Aufschrei der Entrüstung geht durch die wissenschaftliche Welt, die Veröffentlichung der Ergebnisse ist ein mutiger Schritt: Immerhin hatte Isaac Newton Licht als Teilchen charakterisiert. Erst Albert Einstein wird beide Theorien miteinander verknüpfen.
Die Dreifarbentheorie
Auch in anderen Wissenschaften leistet Young Großes. Er legt den Grundstein für die klassische Theorie der drei Primärfarben, die später von Hermann von Helmholtz weiterentwickelt wird. Er erfindet den Vorläufer des Phonographen zur Aufzeichnung von Tönen. Und er weist nach, dass die ägyptischen Hieroglyphen nicht nur aus Symbolen bestehen, sondern wie eine gesprochene Sprache auch aus Lauten – was sein Hauptrivale Jean-François Champollion mit seiner Entzifferung der Hieroglyphen auf dem Stein von Rosette, bei der er auf Youngs Erkenntnisse zurückgreift, bestätigen wird.
Privat ist Young offenbar glücklich verheiratet, spielt Flöte, geht gerne ins Theater, gilt als liebenswürdig und hilfsbereit. Young stirbt am 10. Mai 1829 in London. Er wird nur 55 Jahre alt.
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