11. September 1989 - Ungarn öffnet Grenze für DDR-Flüchtlinge

Stand: 11.09.2019, 00:00 Uhr

Ungarn ist von jeher ein beliebtes Urlaubsziel für DDR-Bürger. Im Sommer 1989 drängen sich besonders viele auf den Campingplätzen. Seit Ungarn im Frühsommer den Betrieb der ohnehin maroden Grenzsperranlagen eingestellt hat, ist Ungarn für viele die Hoffnung auf einen Weg in den Westen: das Land mit dem Loch im Zaun.

Allerdings ist noch ungewiss, inwieweit die Führungen in Ost-Berlin und Russland die ungarische Liberalisierung dulden werden. Zwar hat Michail Gorbatschow dem ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh versprochen: "Solange ich auf diesem Stuhl sitze, werden wir die Verbrechen von 1956 nicht wiederholen."

Ungarn öffnet Grenze zu Österreich (am 11.09.1989) WDR 2 Stichtag 11.09.2019 04:05 Min. Verfügbar bis 08.09.2029 WDR 2

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Grenzübertritt zur Probe

Aber noch ist die Angst groß, dass die in Ungarn stationierten sowjetischen Soldaten den liberalen Kurs mit Gewalt beenden könnten – so wie 33 Jahre zuvor. Mit einem inszenierten Grenzübertritt im Rahmen eines paneuropäischen Picknicks am 19. August soll Moskau getestet werden. An diesem Tag feiern Ungarn und Österreicher gemeinsam nahe der Grenze zu Sopron.

Das Fest nutzen mehrere Hundert Ostdeutsche, die man mit deutschen Flugblättern zum Fest gelotst hatte, um die Grenze zu passieren. Die Grenzbeamten schauen weg, schreiten nicht ein. Auch aus Moskau gibt es keine Reaktionen.

Es kommt zur Massenflucht

Damit bricht der Damm: Die DDR-Urlauber verlassen die Campingplätze. Es kommt zu einer Massenflucht. Einige fahren nach Budapest zur westdeutschen Botschaft, andere an die Grenze zu Österreich.

"Hinzu kam, dass Ungarn schon am 12. Juni 1989 die UN-Flüchtlingskonvention unterschrieben hatte. Das war im Prinzip das erste Mal, dass ein Ostblockland ausgeschert ist. Bis dahin hatte das kein Land anerkannt", sagt Anna Kaminsky, Geschäftsführende Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Ungarn gibt die Grenze frei

In der Nacht vom 10. zum 11. September 1989 gibt Ungarn die Grenze frei und lässt alle Flüchtlinge ausreisen – ohne Absprache mit der DDR-Regierung. "Die DDR hatte immer noch darauf gehofft, dass die Ungarn das nicht machen würden", sagt Kaminsky.

Das SED-Politbüro versucht, mit den alten Drohungen und Geschichten über vom Westen inszenierten Menschenhandel, die Bürger von der Ausreise abzuhalten. Aber davon lässt sich niemand mehr beeindrucken.

Ein gutes Jahr später wird Bundeskanzler Kohl anlässlich der deutschen Wiedervereinigung sagen: "Es war Ungarn, wo der erste Stein aus der Mauer geschlagen wurde."

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 11. September 2019 ebenfalls an die Öffnung der ungarischen Westgrenze für DDR-Flüchtlinge. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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