Mexiko, 26. September 2014: In der Nacht eröffnet die Polizei in der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero das Feuer auf mehrere Busse. Die meisten sind mit Studenten voll besetzt. In einem sitzen Fußballspieler, die von einem Auswärtsspiel zurückkehren. Sechs Personen werden getötet. Bis Mitternacht verschwinden 43 Studenten.
Die 43 jungen Männer gehören zum linksgerichteten Lehrerseminar Ayotzinapa, einem Überbleibsel der Revolution in Mexiko in den 1920er Jahren. Sie waren unterwegs zu einer Gedenkveranstaltung: 1968 waren kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Mexiko-Stadt hunderte demonstrierende Studenten erschossen worden. Seither wird dort alljährlich an das Massaker erinnert.
Widersprüchliche Behördenangaben
Was hinter der Attacke in Iguala steckt, ist bis heute ungeklärt. Im Januar 2015 präsentiert Generalstaatsanwalt Karam die angebliche Wahrheit: Korrupte Polizisten hätten die 43 Studenten zusammen mit Drogenbanden entführt, ermordet und ihre Leichen verbrannt. "Ihre Asche hat man in den Fluss geworfen."
Ein internationales Expertenteam widerspricht: Die behaupteten Umstände der Verbrennung und die Gegebenheiten am Brandort passten nicht zusammen. Als die offizielle Version immer wieder abgeändert wird, verlangen die Eltern Aufklärung. Ihre Demonstrationen mobilisieren Zehntausende, auch in Mexiko-Stadt.
Eltern suchen selbst
Der mexikanische Drogenkrieg hat schon viele Opfer gefordert: Geschätzt wurden 130.000 Menschen gefoltert, verstümmelt, ermordet. Weitere 27.000 verschwanden. Die Eltern der 43 verschwundenen Männer suchen auch selbst nach ihren Söhnen. Sie finden Massengräber, aber die Überreste ihrer Kinder sind nicht darin.
Das Verhältnis zwischen Studenten und Behörden ist seit Jahrzehnten gespannt. Die investigative Journalistin Anabel Hernández glaubt, dass das Interesse, die angeblichen 43 Staatsfeinde aus dem Weg zu räumen, bis in die Staatsspitze reichte. Wegen Morddrohungen hat die Journalistin Mexiko längst verlassen.
Neuer Präsident, neues Versprechen
Die Ungereimtheiten setzen auch Präsident Enrique Peña Nieto ins Zwielicht. Es stellt sich heraus, dass nicht nur lokale Polizei am Tatort war, sondern auch Bundespolizei. Und die Armee vom Stützpunkt in Iguala zugesehen hat.
2018 gewinnt Andrés Manuel López Obrador die Präsidentschaftswahl: "Eines meiner Versprechen war, den bedauerlichen Fall der verschwundenen Jugendlichen aufzuklären." Eine Wahrheitskommission nimmt die Arbeit auf. Noch sind die Schuldigen nicht gefunden.
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