Die Fleisch-Hygiene-Tierärztin Margret Herbst ist beunruhigt. Als sie 1990 einen Schlachthof in Bad Bramstedt besichtigt, torkeln ihr drei Rinder mit hochgradigen Bewegungsstörungen und Gelenkschwellungen entgegen. Herbst vermutet die infektiöse Nervenkrankheit BSE, die seit vier Jahren offiziell in England wütet und in Verdacht steht, als Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf den Menschen übertragbar zu sein. Aber die Vorgesetzten diagnostizieren lediglich Gelenkschwellungen und geben die beschlagnahmten Tiere wieder frei zum Verzehr. Als Herbst später den BSE-Diagnoseschlüssel zu Rate zieht und nach der Bestätigung ihres Verdachts an die Presse gehen will, bekommt sie die Kündigung. Der Fall wird verschwiegen.Unter deutschen Ärzten und Politikern gilt als ausgemacht, dass BSE nicht von der Insel über den Ärmelkanal schwappen kann – oder doch zumindest nicht schwappen darf. "Deutsches Rindfleisch ist sicher", beteuert 1996 der Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert ( CDU). Vier Jahre später stößt sein Nachfolger Karl-Heinz-Funke ( SPD) in das gleiche Horn. "Die Verbraucher können nach wie vor deutsches Rindfleisch essen, ohne Angst um ihre Gesundheit zu haben."
Aber dann teilt das Agrarministerium von Schleswig-Holstein am 24. November 2000 mit, dass durch einen Zufallstest der erste deutsche Fall von BSE bekannt geworden sei. Gleichzeitig wurde der tödliche Erreger bei einem Rind entdeckt, das 1995 in Niedersachsen zur Welt kam, bevor es auf die Azoren exportiert wurde. Vermutlich wurde er über Tiermehl aus England übertragen, das bis dahin auch in Deutschland frei verkäuflich ist. Die Briten hatten jahrelang aus ihren kranken Tieren Futter für gesunde gemacht. Auf dem Höhepunkt der BSE-Krise Mitte der neunziger Jahre werden 1.200 Tonnen davon nach Deutschland importiert.
Stand: 24.11.05