Eigentlich wollen Jean-Antoine Carrel und Edward Whymper das Matterhorn gemeinsam stürmen. 1860 blicken die beiden Bergsteiger aus Italien und England zum ersten Mal hinauf zum Gipfel des als unbezwingbar geltenden Giganten, der wie der Zahn eines Raubtiers in der Sonne glitzert. Als der Versuch der Erstbesteigung scheitert, schwören sie sich, es auch im nächsten Jahr gemeinsam zu versuchen.Aber dann erhält Carrel den ministeriellen Auftrag, das Matterhorn zum Ruhme seiner Heimat vom italienischen Breuil aus alleine zu bezwingen. Trotz strengster Geheimhaltung erfährt der erboste Whymper von dem Plan. In aller Hast reist er nach Zermatt und macht sich mit einer zusammen gewürfelten Mannschaft aus wenig erfahrenen Einheimischen und Abenteurern auf den Weg. Und er ist ein paar hundert Meter schneller: Am 14. Juli 1865 erreicht er gegen 14 Uhr sein Ziel. Als Carrel den winkenden Rivalen auf dem Gipfel sieht, dreht er schnurstracks um, während Whymper oben triumphiert.
Für seinen Sieg zahlt Whymper einen hohen Preis. In der Eile hat er ein minderwertiges Sicherungsseil mitgenommen. Beim Abstieg hält es der Belastung nicht mehr stand. Vier Gefährten Whympers stürzen in den Tod. Zwar wird der Bergsteiger später vom Vorwurf freigesprochen, absichtlich ein schlechtes Seil verwendet zu haben, um im Falle eines Absturzes nicht mit in die Tiefe gerissen zu werden. Aber die Bilder der Katastrophe lassen ihn nie mehr los. Luis Trenkers Film "Der Berg ruft" (1937) fasst die Tragik von Whympers Sieg zusammen, bei dem die Freude an der Erstbesteigung des Matterhorns beim Abstieg in Entsetzen umgeschlagen ist. "Keiner wird die Gefühle derjenigen empfinden, welche von da zuerst auf das wundervolle Alpenpanorama geblickt haben", heißt es dort. "Und hoffentlich wird auch keiner wieder die Erfahrung machen, dass die Freude sich in Schmerz und das Lachen sich in Weinen verwandelt."
Stand: 14.07.05