Stichtag

22. Juli 2006 - Vor 10 Jahren: Silly-Sängerin Tamara Danz stirbt

Im Sommer 1989 bricht die DDR auseinander; Rockmusiker und Liedermacher veröffentlichen eine Resolution, in der sie sich für die Zulassung oppositoneller Gruppen einsetzen. Mit dabei ist Tamara Danz, Frontfrau der DDR-Band Silly. Den Text der Resolution verliest Tamara Danz verbotenerweise vor Konzerten. Sie hat eine "Stinkwut über diesen DDR-Scheinsozialismus" und rebelliert bereits seit Jahren verschlüsselt in ihren Liedern: "Ein Gespenst geht in der Mitropa um. Es spukt auf dem Friedhof der Träume", heißt es im Album "Februar" von 1989. Mit dem Gespenst ist das von Karl Marx beschriebene "Gespenst des Kommunismus" gemeint; Mitropa gilt in der DDR als Inbegriff von Unzuverlässigkeit und Dreck. Auf dem selben Album singt Tamara Danz kurz vor dem Fall der Mauer: "In die warmen Länder würden sie so gerne fliehn. Die verlornen Kinder in den Straßen von  Berlin."

Geboren wird Tamara Danz am 14. Dezember 1952 im thüringischen Breitungen. Ihre Mutter ist Kindergärtnerin. Ihr Vater arbeitet als Maschinenbau-Ingenieur, bevor er als Handelsrat in den diplomatischen Dienst berufen wird. Tamara wächst in Bulgarien und Rumänien auf und besucht Botschaftsschulen. Zurück in Ostberlin singt sie in verschiedenen Bands und im Oktoberklub, einem von der FDJ gelenkten Chor. 1978 stößt Danz zur Gruppe Familie Silly, die zwei Jahr später in Silly umbenannt wird. Die Alben "Mont Klamott" (1983), "Liebeswalzer" (1985) und "Bataillon d'Amour" (1986) werden Verkaufserfolge. Tamara Danz wird in der DDR siebenmal zur "Rocksängerin des Jahres" gewählt, ihre Band produziert dreimal die "LP des Jahres". Auch offiziell wird Tamara Danz hofiert: Erich Honecker bittet sie zum Empfang. Sie wundert sich hinterher, "dass er nicht größer war wie 'n Laubfrosch."

Nach der Wende endet der Höhenflug von Silly. Die westlichen Plattenfirmen sehen in den neuen Bundesländern zwar einen neuen Markt, ignorieren die Ost-Bands aber weitgehend. Musikmanager lehnen die Texte von Silly mit der Begründung ab, diese würden nur im Osten verstanden. Tamara Danz wird vor die Wahl gestellt: Entweder die angeblich unverständlichen Texte werden geändert oder es gibt keinen Plattenvertrag. Doch die Musikerin lässt sich nicht einschüchtern: "Bevor ich nicht weiß, dass es anders nicht geht, werde ich mich diesem System nicht beugen. Ich spiele dieses Spiel nicht mit." Auf der Platte "Hurensöhne" (1993) thematisiert sie die Zwänge des Kapitalismus. Als die Sängerin ihr letztes Album "Paradies" (1996) mit Silly aufnimmt, ist sie an Brustkrebs erkrankt: "Meine Uhr ist eingeschlafen. Ich hänge lose in der Zeit. Ein Sturm hat mich hinaus getrieben, auf das Meer der Ewigkeit." Tamara Danz stirbt am 22. Juli 1996 in Berlin im Alter von 43 Jahren.

Stand: 22.07.06