1991 beginnt ein langer Zerfallsprozess: Jugoslawiens Teilrepubliken erklären nach und nach ihre Unabhängigkeit. Auf Slowenien und Kroatien folgt Mazedonien. Am 8. September 1991 stimmen die mazedonischen Wahlberechtigten mit über 90 Prozent für die Unabhängigkeit. Allerdings haben nur Dreiviertel der Bevölkerung am Referendum teilgenommen. Die albanische Minderheit ist den Urnen ferngeblieben. Der erste mazedonische Staatspräsident, Kiro Gligorow, hätte gerne an der jugoslawischen Vielvölkerrepublik festgehalten, er hält nichts von einem Rückfall in die Kleinstaaterei. Doch andererseits will er die Chance zur Unabhängigkeit nutzen. Denn Mazedonien war jahrhundertelang Spielball der großen Nachbarmächte: der Türken, der Serben, der Bulgaren und der Griechen. Gligorow setzt deshalb auf beides: auf Souveränität und die Umwandlung des multi-ethnischen Staates in einen Staatenbund. Seine Vision ist ein Bund von Balkanstaaten unter dem Dach der Europäischen Union (EU).
Doch der südliche Nachbar Griechenland will eine Republik Mazedonien nicht anerkennen. Die wahren Mazedonier, die so genannten Makedoner gingen auf die Dorer zurück und seien Griechen, heißt es in Athen. Die slawischen Mazedonier dürften sich deshalb nicht so nennen. Denn Athen fürchtet, eine Republik Mazedonien könnte Ansprüche auf die griechische Provinz Makedonien erheben. Wegen dieses Konflikts nehmen die Vereinten Nationen Mazedonien unter der Bezeichnung "ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" auf. Das genügt Griechenland jedoch nicht: 1994 belegt Athen den neuen Nachbarn mit einem Handelsembargo und sperrt den Hafen von Thessaloniki für mazedonische Güter.
Weitere Herausforderungen folgen: Während des Krieges im angrenzenden Kosovo, bei dem sich Serben und Albaner bekämpfen, flüchten vorübergehend rund 500.000 Menschen nach Mazedonien. Sie werden nach dem Einmarsch der KFOR-Soldaten im Kosovo mithilfe der Vereinten Nationen zurückgeführt. Zwei Jahre später eine neue Gefahr: Im Februar 2001 dringen Kämpfer der UCK, der so genannten Albanischen Nationalen Befreiungsarmee aus dem Kosovo in Mazedonien ein. Sie verschanzen sich auf den Hügeln rund um Tetovo und nehmen die Stadt unter Beschuss. Ihr Ziel: Mazedonien soll in zwei Teile gespalten werden. Skopje beschließt daraufhin Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit. Die Rechnung geht auf: Im August 2001 sammeln Nato-Soldaten mehr als 4.000 UCK-Waffen ein. Eine Nato-Truppe, die so genannte Task-Force-Fox (TFF) beginnt ihren Einsatz in Mazedonien. Es ist die erste Nato-Militäraktion, die von Deutschen geleitet wird. Die Lage beruhigt sich, doch aus Gligorows Wunsch nach einem jugoslawischen Staatenbund wird nichts. Dafür rückt das europäische Dach in greifbare Nähe: Seit Ende vergangenen Jahres ist Mazedonien offizieller EU-Beitrittskandidat.
Stand: 08.09.06