Rollende Augen, Flunschlippen, Grimassen - manche halten seine Sketche für billigen Klamauk, für andere zählen sie zum Lustigsten, was Komiker je hervorgebracht haben. Dabei gehört Jerry Lewis zu jenen Clowns, hinter deren Maske auch etwas Trauriges und Hilfloses verborgen ist. Hinter seinen fast 60 Filmen steckt mehr als Leidenschaft und Gelderwerb. Lewis wird von Zweifeln und Ängsten getrieben. Erfolg und Anerkennung sind der Schutz vor Zusammenbrüchen.Jerry Lewis wird als Joseph Levitch am 16. März 1926 in Newark im US-Bundesstaat New Jersey in eine Showfamilie geboren. Vater Danny tingelt als Komiker und Conferencier durch die Staaten. Mutter Rachel begleitet ihn als Pianistin. Joseph lebt oft bei seinen russischen Großeltern und sieht seine Eltern Monate lang nicht. Als er fünf ist, schenkt ihm seine Oma die erste Kinokarte. Stummfilm-Star Charlie Chaplin wird sein Idol. Das Traurige, Einsame verbindet sie. Im Sommer 1932 darf Joseph seine Eltern begleiten. Er lässt sich keine Show entgehen. Eines Abends schickt ihn sein Vater in einem kleinen Smoking auf die Bühne zum Singen. Joseph tritt aus Versehen auf einen Scheinwerfer, der explodiert und das Publikum lacht. Die Tollpatschnummer wird zum Broterwerb. Nach der Schule schlägt Lewis sich mit schlecht bezahlten Jobs in Nachtclubs durch. Er parodiert Sänger und trifft bei einem Auftritt in New York Dean Martin. Die beiden werden Partner. Der gutaussehende Dean singt, der schlaksige Jerry blödelt. Über Nacht bricht ein wahrer Martin-und-Lewis-Wahn aus. "Das Äffchen und der Sänger" - wie die Zeitungen titeln - schaffen den Sprung nach Hollywood. Geld und Champagner fließen in Strömen. Sie leben in einem permanenten Rauschzustand und geben bis zur vier Shows pro Tag.
Zehn Jahre lang sind Jerry und Dean ein Team, doch im Juli 1956 trennen sich ihre Wege. Dean widmet sich ernsthafteren Filmrollen, bevor er, Frank Sinatra und Sammy Davis Junior zum "Rat Pack" werden. Jerry bricht mit einem Herzinfarkt zusammen - gerade mal 30 Jahre alt. Die Trennung setzt ihm stark zu. Doch er schont sich nicht und produziert weiter Slapstick-Filme. Seine Verlust- und Versagensängste treiben ihn weiterhin an. Doch seine Depressionen werden so stark, dass er sich während Dreharbeiten tagelang in der Maske einschließt. Mit "Der Ladenhüter" landet er 1963 endlich einen Volltreffer: Zur Melodie von "The Typewriter " von Leroy Andersen tippt er auf einer imaginären Schreibmaschine. Die Nummer verschafft ihm Weltruhm. 1976 überrumpelt ihn Frank Sinatra inmitten einer Live-Show mit einem Freund, der - wie er sagt - seit Jahren liebt, was Jerry tut: Dean Martin kommt auf die Bühne und die beiden reden zum ersten Mal nach 20 Jahren miteinander. Auch in Berlin erlebt Jerry Lewis 2005 etwas Ungeahntes: Geraldine Chaplin, die Tochter seines Vorbildes, überreicht ihm die Goldene Kamera. In ihrer Laudatio schildert sie, wie sehr sich ihr Vater kurz vor seinem Tod über Lewis in "Bellboy " amüsierte: "Ich danke dir Jerry, das Lachen meines Vaters ist das letzte Bild, das ich von ihm habe."
Stand: 16.03.06