Stichtag

06. April 2006 - Vor 35 Jahren: Zweites Urteil gegen Sexualmörder Jürgen Bartsch

Zwischen 1962 und 1966 erschüttert eine Mordserie die Bundesrepublik: Vier Jungen im Alter zwischen acht und 13 Jahren werden missbraucht und brutal ermordet. Der Täter: Jürgen Bartsch, ein jugendlicher Metzgergeselle, der den ersten Mord im Alter von 15 Jahren begeht. Der so genannte Kirmesmörder findet seine Opfer auf Rummelplätzen und lockt sie in einen alten Luftschutzstollen im rheinischen Langenberg. Sein fünftes Opfer kann entkommen, Bartsch wird gefasst. Die Boulevardpresse nennt ihn "Bestie von Langenberg" und "Teufel in Menschengestalt". Sein Vorleben wird durchleuchtet: Kurz nach seiner Geburt am 6. November 1946 in Essen stirbt seine Mutter. Mit elf Monaten wird er von Metzgermeister Gerhard Bartsch adoptiert. Die gewalttätige Adoptivmutter sieht in Jürgen ein "Goldkind", das mit 19 Jahren noch gebadet wird und im Ehebett seiner Adoptiveltern zu schlafen hat. Bei seinem Aufenthalt in einem katholischen Knabeninternat wird Jürgen durch einen Pater missbraucht. 1967 verurteilt das Wuppertaler Landgericht unter dem Applaus des Publikums Bartsch zu lebenslänglichem Zuchthaus. Trotz zahlreicher Hinweise auf eine schwere sexuelle Störung hält das Gericht Bartsch für voll schuldfähig.1969 hebt der Bundesgerichtshof das Urteil auf und lässt die Revision zu. Vor der Jugendkammer des Düsseldorfer Landgerichts übernimmt der Münchner Staranwalt Rolf Bossi Bartschs Verteidigung. Im zweiten Prozess geht es allein um die Frage, ob der Angeklagte für die Taten, die er umfassend gestanden hat, verantwortlich ist. Bartschs auf Band aufgezeichnete Vernehmung offenbart einen Abgrund zwanghaft sadistisch-pädophiler Obsessionen: "Ich kann das nicht erklären, wenn da so ein Gefühl da ist, das einen dahin treibt. Das Gefühl, du musst es tun, auf lange Sicht kannst du's nicht sein lassen." Nach eingehender medizinischer Begutachtung von Bartsch plädieren die Sachverständigen im Sinne der Verteidigung. "Man ist zur Auffassung gekommen: Es ist nicht beherrschbar, es ist eine Krankheit", erinnert sich Anwalt Bossi.

Am 6. April 1971 verhängt die Düsseldorfer Jugendkammer eine zehnjährige Jugendstrafe mit anschließender Unterbringung "in einer Heil- und Pflegeanstalt". Für Bartsch bedeutet das Urteil Maßregelvollzug, die unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt. Bartsch rechnet allerdings damit, wieder auf freien Fuß zu kommen. Er ist bereit, sich einer angeblich triebhemmenden Operation am Gehirn zu unterziehen. Doch er gilt als inoperabel. 1974 heiratet Bartsch in Haft eine körperbehinderte Krankenpflegerin aus Essen, die glaubt, ihn heilen zu können. Schließlich lässt sich Jürgen Bartsch im Alter von 29 Jahren am 28. April 1976 in der Landesheilanstalt Eickelborn bei Soest kastrieren - und stirbt während des Eingriffs an einem Narkosefehler.

Stand: 06.04.06