September 1944: Die Amerikaner fliegen einen verheerenden Bombenangriff auf Bielefeld. 600 Menschen kommen ums Leben, darunter auch Richard Kaselowsky, der Leiter der Oetker-Werke. Er ist der Schwiegervater von Rudolf August Oetker, der nun, erst 28-jährig, die Firmenleitung übernehmen muss. Es sind harte Zeiten: Von den einstmals 2.000 Beschäftigten der Back- und Puddingpulverfabrik sind kriegsbedingt nur 700 übrig geblieben. Große Teile des Fabrikgeländes sind zerstört. Oetker baut alles wieder auf. Indirekt kommt ihm dabei die Kriegserfahrung zugute: Nach den Jahren des Hungers sind die Deutschen ganz versessen auf seine Produkte. Bereits 1950 produziert das Unternehmen 400 Millionen Päckchen Back- und 350 Millionen Päckchen Puddingpulver - ein einsamer Rekord.Oetker wird am 20. September 1916 in Bielefeld geboren. Zu dieser Zeit gibt es bereits eine Backpulverfabrik. Geführt wird sie vom Großvater und Firmengründer August Oetker, einem Apotheker. Seine Idee, Hausfrauen das Treibmittel in kuchengerecht portionierten Tütchen zu verkaufen, ist die Hefe des Erfolgs. In den dreißiger und vierziger Jahren wird dieser Erfolg nicht zuletzt dank der guten Beziehungen der Oetkers zu führenden Nationalsozialisten ausgebaut: Kaselowsky gehört zum Freundeskreis Heinrich Himmlers, Rudolf August Oetker selbst ist Unterführer der Waffen-SS. Hitler persönlich ernennt das Unternehmen zum nationalsozialistischen Musterbetrieb. Back- und Puddingpulver wird zur Verpflegung der Soldaten an die Front geschickt.
Der eigentliche Aufschwung aber kommt in der Nachkriegszeit. Vor allem deshalb, weil Oetker sich nicht allein auf die Treibkraft des Backpulvers verlässt. Er baut das Nahrungsmittelgeschäft aus in Richtung Tiefkühlkost, kauft Banken, Reedereien, eine Brauerei. 1955 avanciert er mit 40 Hochseeschiffen zum größten privaten Reeder Deutschlands, in den Siebzigern beschäftigt er 15.000 Mitarbeiter. Die Mischkalkulation verschiedener Märkte sorgt dafür, dass er in den 35 Jahren seines aktiven Wirkens immer positive Zahlen schreibt. Trotzdem führt der sparsame Oetker sein Unternehmen wie einen kleinen Tante-Emma-Laden: in der Rechtsform des Einzelkaufmanns, ohne Aufsichtsrat, Kontrolle oder Mitbestimmung. Mit 65 Jahren überträgt Oetker die Firmenleitung an seinen ältesten Sohn August. Heute beschäftigt die Firma 21.000 Menschen. Umsatz: sieben Milliarden Euro.
Stand: 20.09.06