Die Trainerkarriere Helmut Schöns verdankt sich einem zerbrochenen Traum. Nach einem von der SED manipulierten Spiel um die DDR-Meisterschaft ist der schlaksige Fußballer mit dem Dresdener SC 1950 nach Westdeutschland geflohen. "Unsere Mannschaft ist geschlossen nach West-Berlin gekommen, weil wir es im Interesse unserer sportlichen Entwicklung für nötig erachten, frei und ungehemmt unserem Lieblingssport zu huldigen und freuen uns, wenn wir recht bald wieder mit Erfolgen aufwarten können", spricht der medienscheue Mannschaftsführer in die Mikrofone. Aber der Dresdner SC zerfällt. Schön muss sich anderweitig umschauen. Da kommt der Job des Trainers gerade recht.
Schön wird 1915 in Dresden als Sohn eines Kunst- und Antiquitätenhändlers geboren. Vielseitig begabt und an Musik und Literatur interessiert, entscheidet er sich gegen den Willen des Vaters doch frühzeitig für die Fußballkarriere. Mit 17 Jahren gibt er sein Debüt, nebenbei macht er sein Abitur. Die Nationalsozialisten umgarnen den blonden "Langen"; der aber umgeht alle Vereinnahmungsversuche mit Bescheidenheit und Unauffälligkeit. Nach seiner Flucht aus der DDR trifft Schön im Westen erneut auf Bundestrainer Sepp Herberger, unter dem er bereits 1937 sein erstes Länderspiel absolviert hatte.
Überhaupt sei Herberger "der rote Faden in meinem Leben", wird Schön später sagen. "Er hat mich eigentlich entdeckt, ich war sein Gegner, ich war sein Assistent und war sein Nachfolger." Als Gegner treffen sich beide während der Qualifikationsrunde zur Fußball- WM 1954, bei der Schön die Truppe des damals noch selbstständigen Saarlands trainiert. Zwei Jahre später holt ihn Herberger zur deutschen Fußball-Nationalmannschaft. 1964 wird Schön sein Nachfolger.
Am Anfang gilt Schön, anders als der autoritäre Herberger, manchen als zu zauderhaft. Schön will lieber von "Gewissenhaftigkeit" sprechen. Der Erfolg gibt ihm Recht: Unter Schön werden die Deutschen Europa-, Welt- und Vizeweltmeister. Als Schön 1978 sein letztes Mal auf der Trainerbank sitzt, genießt er die Hochachtung der ganzen Fußballwelt. "Der Mann mit der Mütze geht nach Haus", wird Udo Jürgens zum Abschied singen. "Und uns're Achtung nimmt er mit und unseren Applaus."
Der Abgang ist unspektakulär wie Schöns ganzes Auftreten. Sein letztes Spiel 1978 gegen Ungarn wird beim Stand von 0:0 wegen Nebels abgebrochen. Schön, der verheiratet war und einen Sohn hatte, stirbt nach langer Krankheit am 23. Februar 1996 in einem Wiesbadener Pflegeheim.
Stand: 23.02.06