Stichtag

20. Mai 2007 - Vor 105 Jahren: Kuba wird Republik

"So wie ein im Sturm vom Baum gerissener Apfel keine andere Wahl hat, als zur Erde zu fallen, so kann auch Kuba (...) nur der Schwerkraft der Nordamerikanischen Union folgen", verkündet US-Außenminister John Quincy Adams 1823. Voraussetzung dafür sei die Lösung der Kolonie aus "der widernatürlichen Verbindung mit Spanien". US-Angebote zum Kauf der 150 Kilometer südlich von Florida gelegenen Zuckerrohr-Insel lehnen die Spanier allerdings ab. Kuba ist als Zuckerlieferant nicht nur wirtschaftlich, sondern wegen des geplanten Panama-Kanals auch strategisch wichtig. Geduldig warten die USA, bis die kubanischen Unabhängigkeitskämpfer die spanischen Kolonialtruppen 1898 fast besiegt haben.

Erst als kubanische Plantagenbesitzer und Geschäftsleute die Vereinigten Staaten um Hilfe bitten, greifen sie ein. Um Stärke zu demonstrieren, entsenden die USA das Kriegsschiff "Maine " nach Kuba. Kurz darauf explodiert das Schiff im Hafen von Havanna, 260 Mitglieder der Besatzung sterben. Umstände und Täterschaft sind bis heute umstritten. War es ein Unfall, ein Anschlag der Spanier, eine Provokation der kubanischen Unabhängigkeitsbewegung? Oder am Ende etwa eine Selbstversenkung durch die USA? Die Explosion dient den US-Truppen jedenfalls als Grund, "im Namen der Menschheit, der Zivilisation und der gefährdeten amerikanischen Interessen" in den Krieg einzutreten. Die Landung auf Kuba verläuft mühelos. Spanien kapituliert. Die von den Unabhängigkeitskämpfern bereits eingesetzte provisorische Regierung wird von den US-Militärs ignoriert. Doch nach ihrem Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten können sich die USA ohne Gesichtsverlust keine eigene Kolonie leisten. Sie ziehen deshalb nach drei Jahren ab und agieren hinter den Kulissen. Auch bei der Ausarbeitung der kubanischen Verfassung geben sie den Ton an. Das so genannte Platt-Amendment, ein Zusatz zur Verfassung, räumt den USA das Recht ein, jederzeit zu intervenieren. Festgeschrieben wird auch das Recht auf mehrere US-Armeebasen - wie etwa der Stützpunkt Guantánamo. Gegründet wird die auf dem Papier unabhängige Republik Kuba am 20. Mai 1902. Bei den ersten Präsidentschaftswahlen setzt sich Tomás Estrada Palma durch. Er wird von Washington protegiert.

Schon Palmas Wiederwahl 1905 kann nur noch mit Gewalt durchgesetzt werden: indem die konkurrierende liberale Partei terrorisiert wird. Nach der Ermordung einer ihrer Anführer tritt sie gar nicht mehr zur Wahl an. Als Oppositionelle daraufhin zu den Waffen greifen, nutzen die USA das Platt-Amendment und besetzen Kuba ein weiteres Mal für drei Jahre. Auch nach Aufhebung des Platt-Amendments 1934 bleibt der US-amerikanische Einfluss bestehen. Dennoch existiert die kubanische Republik in dieser Form nur gut fünfzig Jahre. Fidel Castro setzt mit seinem Guerillakrieg am 1. Januar 1959 den Schlusspunkt: "Diesmal ist es nicht wie 1898, als die Amerikaner in letzter Stunde intervenierten und sich zu Herren des Landes machten."

Stand: 20.05.07