Das Ruhrgebiet ist eine trostlose Landschaft. Von wenig Wald durchbrochene Sandflächen beobachtet die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff bei ihrem Besuch der Gegend am Elpenbach: "Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Tür sich ein paar Kinder im Sande wälzen und Käfer fangen." Und der Reiseschriftsteller Christian Friedrich Meyer vergleicht das Gebiet 1797 mit der Wüste Arabiens: "Der schlechte Sandgrund dürfte wohl bisher einen jeden davon abgehalten haben, eine vernünftige, zweckmäßige Verbesserung in der Benutzung zu erhalten."
Die Dichter irren. Unter dem Sand zwischen Osterfeld und Buer schlummert ein Schatz, der bald zur Wiege der heimischen Eisen- und Stahlindustrie werden soll: Raseneisenerz. Der adelige Geistliche Franz Ferdinand Freiherr von Wenge findet ihn direkt unter der sandigen Oberfläche - und will ihn nutzen. Vom Kölner Erzbischof als zuständigem Landesherrn erhält er die Genehmigung, eine Eisenhütte wie die am Niederrhein, im Sieger- oder Sauerland zu betreiben. Am 18. Oktober 1758 geht nahe dem heutigen Oberhausen der erste Hochofen des späteren Ruhrgebiets als Gießerei in Betrieb. Bescheidene sieben Meter ist er hoch. Vier Arbeiter stehen in der lauten, heißen und stickigen "Antony-Hütte": bekleidet mit angefeuchteten Lederschürzen, um die Hitze zu ertragen.
Töpfe, Pfannen und andere Gusswaren will der Freiherr in seiner Hütte produzieren. Aber der Anfang ist schwer. Die Qualität der Produkte ist nur dürftig. Nach einer unbefriedigenden Anlaufphase steht der Hochofen vier Jahre lang still. An die 20 Jahre dauert es, bis die Töpfe, Kasserolen, Bügeleisen, Gewichte, Maschinenteile und Kanonenkugeln für die Kriegsindustrie Gewinn abwerfen. Danach ist der Erfolg über Jahrzehnte gesichert. Nicht nur in den europäischen Kriegen des 18. und 19. Jahrhunderts, sondern auch im amerikanischen Bürgerkrieg kämpfen Kugeln "Made in Antony" mit. 1810 geht die Antony-Hütte in den Besitz der "Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen" über. Hier ist sie nur noch eine Anlage unter vielen. 1877 wird sie geschlossen, die 80 Mitarbeiter kommen in die Nachbarwerke.
Was damals mit sieben Metern klein begann, schießt schließlich in die Höhe: Heute misst der modernste Hochofen des Ruhrgebiets in Duisburg neunzig Meter.
Stand: 18.10.08