Sein Ruf ist legendär. Jahrzehntelang gilt Markus Wolf, Kopf des DDR-Auslandsgeheimdienstes, als bester Spionagechef der Welt. Sein größter Coup ist sein Agent im Bonner Kanzleramt: Die Enttarnung Günter Guillaumes führt 1974 zum Rücktritt von Willy Brandt ( SPD ). In der Bundesrepublik existiert gegen Wolf schon vor dem Mauerfall ein Haftbefehl. Im Mai 1993 eröffnet das Düsseldorfer Oberlandesgericht gegen ihn ein Verfahren wegen Landesverrats und Bestechung. Zur Urteilsverkündung am 6. Dezember 1993 bringt Wolf vorsorglich eine Reisetasche mit. Er rechnet mit seiner Verhaftung noch im Gerichtssaal. Tatsächlich endet der Prozess mit sechs Jahren Haft für "Mischa". Doch Wolf erhält Haftverschonung. Denn das Bundesverfassungsgericht muss erst noch grundsätzlich entscheiden, ob Spione der DDR überhaupt strafrechtlich belangt werden können.
Markus Wolf wird am 19. Januar 1923 im schwäbischen Hechingen geboren. Nach der Machtübernahme der Nazis flieht die Familie über Umwege nach Moskau. Im Mai 1945 kehrt Wolf nach Berlin zurück. Zunächst arbeitet er als Journalist, dann holt ihn DDR-Staatsratschef Walter Ulbricht persönlich zum Nachrichtendienst. Wolf macht schnell Karriere. 1956 wird er Leiter der Auslandsspionage und stellvertretender Minister für Staatssicherheit. Seine Stärke ist die strategische Planung. Er macht seinen Agenten klare Vorgaben. Sie sollen auf bürgerlichem Weg einflussreiche Stellungen im kapitalistischen Ausland einnehmen und erst dann aktiv werden. Raffiniert ist auch das Romeo-Prinzip: Einsame Sekretärinnen in Bonner Ministerien werden von Stasi-Liebhabern ausgehorcht. "Jede nachrichtendienstliche Anbahnung bedeutet ja irgendwelche zwischenmenschliche Beziehung aufzubauen", sagt Wolf später.
Als Generaloberst befehligt Wolf rund 4.000 Auslandsagenten. 1986 quittiert er überraschend seinen Dienst. In seinem Buch "Troika" präsentiert sich Wolf im März 1989 als vorsichtiger Befürworter der Reformpolitik Michail Gorbatschows. Fünf Tage vor dem Mauerfall spricht Wolf zu knapp einer Million regimekritischer Demonstranten auf dem Alexanderplatz: "Wenn wir diesen Weg der Erneuerung mit Vernunft und Besonnenheit weiter gehen wollen, dann muss ich hier mich dagegen wenden, dass Mitarbeiter dieses Ministeriums nun zu Prügelknaben gemacht werden sollen." Dafür wird er ausgepfiffen. Kurz vor der Wiedervereinigung flieht Wolf nach Moskau, um einer Verhaftung zu entgehen. Im September 1991 stellt er sich. Fortan präsentiert er sich gern als Friedensstifter: "Ich denke, dass der Dienst eine ganze Menge getan hat, um die Politik der Entspannung zu fördern." Das Düsseldorfer Oberlandesgericht sieht das anders und verurteilt ihn 1993 zu einer sechsjährigen Haftstrafe. Das Bundesverfassungsgericht kassiert das Urteil allerdings: DDR-Spione können nur eingeschränkt strafrechtlich verfolgt werden. In einem zweiten Prozess erhält Wolf Ende Mai 1997 eine zweijährige Bewährungsstrafe wegen Freiheitsberaubung. Er spricht stets von Siegerjustiz und politischen Urteilen. Wolf stirbt am 9. November 2006 - dem 17. Jahrestag des Mauerfalls.
Stand: 06.12.08