Stichtag

19. Mai 2008 - Vor 790 Jahren: Kaiser Otto IV. stirbt auf der Harzburg

Die Zustände im Heiligen Römischen Reich Anfang des 13. Jahrhunderts schreien zum Himmel. "Verrat lauert im Hinterhalt, Gewalttat zieht auf der Straße, Friede und Recht sind todwund", klagt der Barde Walther von der Vogelweide. Schuld ist die Dauerfehde zwischen zwei Herrscherhäusern: den schwäbischen Staufern und den Welfen aus Braunschweig. Nach dem Tod von Staufer-Kaiser Heinrich VI. buhlen Otto von Braunschweig, Sohn Heinrich des Löwen, und Philipp von Schwaben um die zur Königswahl berechtigten Fürsten. Deren Stimmen müssen teuer bezahlt werden - mit Geld, Grundbesitz, Privilegien und Ämtern. Obwohl die Stauferpartei Philipp im März 1198 als König inthronisiert, gelingt Otto der Gegenschlag: Mit der Unterstützung Englands, des Papstes und mit dem Geld der reichen Kölner Kaufleute kann er sich 1198 in Aachen als Otto IV. zum römisch-deutschen König krönen lassen. Für das Reich eine Katastrophe: Zehn Jahre lang regieren in Deutschland zwei Könige gegeneinander.

Auch mit Hilfe der finanzstarken Kölner kann sich Otto nicht gegen seinen Rivalen durchsetzen, verliert sogar eine entscheidende Schlacht gegen Philipp. Doch dann spielt ihm das Glück die Alleinherrschaft zu. 1208 wird Philipp von Schwaben in einer Privatfehde ohne Zutun Ottos ermordet. Endlich ist der Weg zur Kaiserkrone frei. Um Papst Innozenz III. auf seine Seite zu ziehen, verzichtet Otto im Gegensatz zu den Staufern auf seine Ansprüche auf das Königreich Sizilien und auf die Macht in Unteritalien. Die Taktik geht auf. Am 4. Oktober 1209 krönt der Papst Otto IV. in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Kaum als rechtmäßiger weltlicher Herrscher der Christenheit inthronisiert, macht Otto einen schweren politischen Fehler. Er rüstet ein Heer und zieht nach Süden - auf Sizilien zu. Papst Innozenz reagiert mit seinen schärfsten Waffen. Er stößt den wortbrüchigen Otto aus der Kirche aus, schürt Intrigen unter den aufsässigen deutschen Fürsten und unterstützt schließlich in Allianz mit Frankreich die Wahl eines Gegenkönigs - natürlich eines Staufers.

Es ist Friedrich II., Sohn Kaiser Heinrich VI. und König von Sizilien. Schon seine Zeitgenossen geben ihm den Beinahmen "stupor mundi" - das Erstaunen der Welt. Mit dem Segen des Papstes und dem Geld des französischen Königs zermürbt der junge Friedrich die politischen Machtstrukturen Ottos. Im Juli 1214 kann er den inzwischen an Malaria erkrankten Kaiser in der Schlacht bei Bouvines militärisch entscheidend schwächen. Nach dem Abfall seiner Verbündeten muss sich Otto IV. in die braunschweigischen Erblande zurückziehen. Der letzte Kaiser der Welfen stirbt am 19. Mai 1218 mit 43 Jahren auf der Harzburg. In der Historie hat der Machtkampf zwischen Welfen und Staufern tiefe Spuren hinterlassen. Die fortwährende Praxis der Veräußerung imperialer Rechte und Privilegien beschleunigt den Machtverfall kaiserlicher Zentralgewalt zu Gunsten der Fürsten, der Kirche und der Reichsstädte. Anders als die entstehenden Nationalstaaten England und Frankreich bleibt Deutschland noch 600 Jahre lang ein politischer Flickenteppich.

Stand: 19.05.08