Im 16. Jahrhundert berichten zahlreiche Flugschriften vom Schicksal von Peter Stump, der auch Peter Stubbe genannt wird. Er lebt als Hirte und Bauer in Epprath, einem Dorf, das damals in der Nähe von Bedburg am Niederrhein liegt und Jahrhunderte später dem Braunkohletagebau zum Opfer fällt. Stumps grausige Geschichte wird auch ins Niederländische, Dänische und Englische übersetzt: Er soll 25 Jahre lang als Werwolf gewütet haben. Vorgeworfen wird dem etwa 50-Jährigen Mord, Vergewaltigung und Zauberei. Der Legende nach besitzt Stump einen Zaubergürtel aus Wolfsfell: Zieht er ihn an, wird er zum Werwolf; legt er ihn ab, verwandelt er sich wieder in einen Menschen. Auf diese Weise nimmt er nachts die Gestalt eines riesigen Wolfes an und ermordet – je nach Phantasie des Erzählers – Männer, schwangere Frauen und mehr als ein Dutzend Kinder, darunter sein eigener Sohn. Ebenso soll er eine große Menge Vieh getötet haben. Auch Inzest mit seiner Tochter und sexuelle Ausschweifungen mit anderen Frauen werden ihm vorgeworfen.
Ob wirklich Stump die Morde und Gräueltaten begangen hat, ist nicht bewiesen. Vermutlich ist er eher Opfer als Täter: Gewalt, Aberglaube, Verleumdung und Verfolgung – all das spielt beim Werwolf von Bedburg eine Rolle. Stump gilt – wie viele Hirten – bei seinen Nachbarn als Außenseiter. Wenn es damals zu ungeklärten Todesfällen kommt, wird oftmals ein Hirte zum Sündenbock gemacht. Stump besitzt zudem ein auffällig großes Wolfsfell. Das macht ihn für seine Umgebung verdächtig, sagt Germanist Uwe Schwagmeier von der Universität Oldenburg: "Der Wolf gehört zu den Tieren, die durch die christliche Lehre als dämonisch und teuflisch galten." Der Mythos vom Mensch-Wolf sei aber noch wesentlich älter als die Bibel. "Wir haben literarische Zeugnisse, die gehen in die Antike zurück, das älteste mir bekannte stammt von Herodot. Davor gibt es aber auch schon Ideen und Vorstellungen von Wolfsmenschen." Werwolf-Legenden helfen, so Schwagmeier, den Menschen über Jahrhunderte, ihre Angst zu bewältigen – vor Gottes Strafe, der Natur, dem Dunkel.
Am 28. Oktober 1589 wird Stump in Bedburg als Werwolf verurteilt – zu einem langsamen und qualvollen Tod durch den Henker. Er hat die ihm angelasteten Taten unter Folterandrohung gestanden. Über 4.000 Zuschauer sind bei der Hinrichtung am 31. Oktober 1589 dabei. Der Scharfrichter malträtiert Stump mit glühenden Zangen und bindet ihn auf ein Rad. Dann werden Stumps Arme und Beine mit einer Axt zerschlagen. Schließlich wird er enthauptet. Seine Leiche landet auf dem Scheiterhaufen, wo auch seine Tochter und seine Lebensgefährtin in einer Art Sippenhaftung verbrannt werden. Der Henker hat sie – aus Gnade – vorher erwürgt.
Stand: 28.10.09