Stichtag

07. April 2009 - Vor 95 Jahren: Paul Klee und August Macke kommen in Tunis an

Am Nachmittag des 7. April 1914 sieht Paul Klee zum ersten Mal die afrikanische Küste. Gemeinsam mit den Künstlerfreunden August Macke und Louis Moilliet ist er per Schiff nach Tunis aufgebrochen; besonders beeindruckt ist er von den kastenförmigen weißen Häusern des Dörfchens Sidi Bou Said im Norden Tunesiens. "Die Leibhaftigkeit des Märchens, nur noch nicht greifbar, sondern fern", wird er später im Tagebuch notieren: "ziemlich fern und doch sehr klar". Das reale Märchenland mit seinen geometrischen Mustern und bunten Farben wird aus Klee jenen Maler machen, als den die Nachwelt ihn schätzen lernt.

Klee kennt Louis Moilliet seit der Schulzeit. Moilliet wiederum lernt den Rheinländer Macke auf seiner Hochzeitsreise kennen. Später sind die drei Maler in der expressionistischen Künstlergruppe "Der blaue Reiter" aktiv. Klee ist es, der die Idee hat, eine Reise nach Tunis zu unternehmen. Moilliet, der schon einmal da war, soll den Reiseführer machen. Unterstützt von Gönnern begeben sich die Maler auf große Fahrt.
Vor Ort wohnen sie im Haus eines befreundeten Arztes. Sie baden im Meer, bemalen die Wand des Esszimmers und Ostereier für die kleine Tochter. Die schmalen Gassen und die maurische Architektur, die Tücher und der strahlend blaue Himmel, aber auch die Klänge und Geräusche halten vor allem Klee gefangen. Besonders Kairouan erscheint den Malern wie ein Wunder.
Während sich Moilliet vergnügt, arbeiten die anderen an ihren später weltberühmten Aquarellen: der selbstbewusstere und künstlerisch reifere Macke mit Elan, Klee hingegen wie im Rausch. Nur 14 Tage dauert die Reise, aber am Ende ist Klee vollends in der Malerei angekommen. "Die Farbe hat mich", schreibt er begeistert. "Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich, für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichsten Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler."

Danach sieht jedoch Klee keinen Grund mehr, in Tunesien zu bleiben: "Die große Jagd ist zu Ende. Ich muss zerwirken." Macke und Moilliet bleiben noch drei Tage, dann nehmen auch sie den Dampfer Richtung Heimat. Zu Hause angekommen gibt sich auch Macke ganz der Malerei hin. Drei Monate bleiben ihm, um den Glanz Afrikas in seinen Ölgemälden leuchten zu lassen. Insgesamt entstehen 38 Aquarelle und über 100 Zeichnungen. Dann wird er eingezogen und stirbt auf dem Schlachtfeld in der Champagne. Paul Klee wird seine Erlebnisse in fruchtbaren Schaffensperioden noch 26 Jahre lang verarbeiten.

Stand: 07.04.09