Die Konkurrenz der Systeme ist auf dem Gebiet guter Krimis eine heikle Sache für den real existierenden DDR-Sozialismus. Einerseits muss ein Fernsehkrimi so spannend und unterhaltsam sein wie die Reihe "Stahlnetz", mit der das Westfernsehen ab 1958 Zuschauer auch im Osten anzieht. Andererseits hat nach offizieller Doktrin die Befreiung vom Kapitalismus dem Verbrechen jeden Boden entzogen. Woher also die Fälle nehmen?"Blaulicht" ist die Antwort des Deutschen Fernsehfunks auf dieses Problem. Hier lösen Oberleutnant Wernicke (Bruno Carstens), Leutnant Thomas (Alexander Papendieck) und Volkspolizeimeister Timm (Host Torka) Fälle, die fast immer über die Grenze herüber in die DDR kommen. Vor allem Schmuggler, flüchtige Verbrecher und einreisende Betrüger aus West-Berlin machen dem Team zu schaffen. Trotz dieser konstruierten Kriminalitäts-Migration ist die Serie ein Publikums-Erfolg - bis 1961. Da baut die DDR die Mauer und schneidet Autor Günter Prodöhl von seinen bisherigen Verbrechern ab. Neun Monate pausiert der Krimi. Dann beschließt man, dass es böse Menschen auch im Arbeiter- und Bauernstaat noch gibt, und sendet weiter.
1963 gibt es wieder eine Krise, wieder ausgelöst durch die Regierenden: Die haben auf dem VI. Parteitag der SED festgestellt, die Übergangsperiode zum Sozialismus sei nun abgeschlossen. Damit haben es die Fernseherzähler des Bösen noch schwerer. Sie stehen unter Dauerverdacht der Nestbeschmutzung und müssen 1968 nach 29 Folgen aufhören.
Drei Jahre lang bleibt das Fernsehen der DDR verbrechensfrei. Dann startet "Polizeiruf 110". Schließlich muss man etwas gegen den allzu erfolgreichen "Tatort" setzen.
Stand: 20.08.04